Zentralisierung: Status Quo beim „Danish Super Hospital Programme“
Zentralisierung: Status Quo beim „Danish Super Hospital Programme“ unknown
Seit 15 Jahren widmet sich das „Danish Super Hospital Programme“ dem Bau zentralisierter Krankenhausstandorte in Dänemark: „Einige der 16 Projekte sind neue Bauvorhaben, andere Erweiterungen von bestehenden Kliniken“, erklärt Martin Nyrop Holgersen, Team Lead bei Data, Infrastructure and Cyber Security (DAICY) im dänischen Gesundheitsministerium. Holgersen beaufsichtigt die neuen, klinischen Bauprojekte in den fünf dänischen Regionen Nord- und Mitteljütland, Süddänemark, der Hauptstadtregion und Seeland. Er weiß: „Im dänischen Gesundheitssystem herrscht derzeit ein Bauboom und das Super-Krankenhaus-Programm ist ein Teil davon.“
Das vom dänischen Staat zu 60 Prozent finanzierte Programm ist in die nationale Strategie für das Gesundheitswesen eingebunden und zielt nicht, wie viele vermuten, auf Kosteneinsparungen und schicke Bauten, sondern auf eine grundsätzliche Umstrukturierung auf organisatorischer Ebene. Ein Expertengremium aus Gesundheitsökonomen erarbeitete das neue Konzept, das auf eine bessere Patientenversorgung bei gleichzeitig sinkenden Patientenzahlen abzielt. 2007 wurden die 13 dänischen Bezirke auf fünf Regionen reduziert: „Es war eine politische Entscheidung, eine neue Krankenhausstruktur zu schaffen und diese mit staatlichen Mitteln zu unterstützen.“
Sieben Milliarden Euro für das Upgrade dänischer Krankenhäuser
Die eingesetzten Mittel belaufen sich auf eine Fördersumme von sieben Milliarden Euro. Ein großer Teil hiervon ist bereits in Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Medizintechnik geflossen. Das erklärte Ziel der dänischen Regierung: Die neuen Standorte sollen nach ihrer Eröffnung vier bis acht Prozent effizienter sein als zuvor. Kann das gelingen? Tatsächlich hätten einige Krankenhäuser ihre spezifische Zielvorgabe schon erreicht, berichtet der Experte.
Doch wie ist der Status Quo in Dänemark? Die geplanten Projekte aus dem Super-Krankenhaus-Programm seien zu 74 Prozent technisch abgeschlossen, so der Zwischenstand im dänischen Gesundheitsministerium im September 2022. Von den 79 Krankenhausstandorten im Jahr 2007 werden bis zum Jahr 2026 nur noch 53 Standorte vorhanden sein – eine erhebliche Reduktion mit klarer Zielsetzung, denn es geht in zweiter Instanz natürlich auch um Kostenreduktion, vor allem aber um Qualität- und Effizienzsteigerungen.
Reduktion der Krankenhausstandorte um 33 Prozent
„Krankenhäuser zahlen häufig sehr viel für die Bereitstellung von Ressourcen, die am Ende gar nicht benötigt werden“, beschreibt Holgersen die Lage der Kliniken. Das habe auch Auswirkungen auf die Patientenversorgung: „Gerade ältere, multimorbide Patienten erhalten oft eine eher unbefriedigende Behandlung bei teils ganz unterschiedlichen Behandlern. Mit dem Super-Krankenhaus-Programm wollen wir deshalb zugleich auch die Kohärenz zwischen den Sektoren verbessern.“
Dazu gehört in Dänemark die Vision gemeinsamer Notaufnahmen, die in den vergangenen Jahren sukzessive umgesetzt wurde: „Das Land ist von 45 Krankenhäusern mit mehreren Notaufnahmen im Jahr 2005 auf 21 Krankenhäuser mit gemeinsamen Notaufnahmen im Jahr 2018 übergegangen“, erklärt der Ministeriumssprecher. Sogar das Rigshospitalet in der Hauptstadt Kopenhagen, das bestspezialisierte Krankenhaus Dänemarks, habe keine eigene Notfallabteilung mehr, wohl aber eine Abteilung für Traumata. Acht weitere Krankenhäuser seien außerhalb vom Super-Krankenhaus-Programmm ebenfalls am Zusammenschluss der Notaufnahmen involviert. Zusätzlich zur geografischen Konzentration werde der Zugang zu den gemeinsamen Notaufnahmen eingeschränkt, indem dänische Patienten für die klinische Behandlung nun eine Überweisung des Hausarztes benötigen. Weil ein Großteil derjenigen, die bis dato eingewiesen wurden, in den zusammengeführten Notaufnahmen jetzt eine schnellere Diagnose erhalten, nach Hause fahren und dort ambulant behandelt werden können, rechnet das Ministerium damit, dass die ambulante Versorgung um 50 Prozent ansteigen wird.
Eine nationale Planung für medizinische Fachgebiete
Umgestaltet wird schließlich auch die Fachmedizin Dänemarks: Ziel sind dabei effizientere Patientenströme. In den gemeinsamen Notaufnahmen erhalten Patienten hochspezialisierte Behandlungen für eine Vielzahl von medizinischen Fachgebieten, gebündelt an einem Ort. Das dürfte zukünftig gerade für mehrfach erkrankte Patienten, die zwischen Fachgebieten wechseln müssen, eine Erleichterung darstellen.
Die nationale Gesundheitsbehörde entscheidet außerdem, wo welche kritischen medizinischen Fachgebiete und Funktionen angesiedelt werden dürfen. So gebe es für einige Fachbereiche in Zukunft nur noch ein bis drei klinische Standorte, diese jedoch mit höchster Fachkompetenz.
Kann Versorgungsqualität die fehlende Erreichbarkeit aufwiegen?
Den Zweifeln angesichts der gesellschaftspolitischen Debatte um die Einschrumpfung der Kliniklandschaft begegnet die dänische Politik nun zusätzlich mit dem Konzept der „Tageskliniken“: „Bei diesem Element unserer Gesundheitsreform, testen wir Krankenhäuser ohne Betten, erklärt Holgersen und fügt hinzu: „Ziel dieser rund zehn bis zwanzig ambulanten Kliniken ist es, die fehlende Nähe zum Krankenhaus nach der Zentralisierung wiederherzustellen.“ Ob die Idee gut sei, bleibe abzuwarten.
Tatsächlich gibt es abseits der veralteten Gebäudestrukturen aus den 60er und 70er Jahren handfeste Gründe, welche die Neubauten und die nationale Umstrukturierung der Kliniken als notwendig und das Super-Krankenhaus-Programm als überaus sinnvoll erscheinen lassen: „Der Personalmangel ist ein großes Problem im dänischen Gesundheitssystem. Er zeigt sich vor allem in der Recruitingkrise. Wir können die offenen Stellen in den Kliniken nicht ausreichend besetzen“, fasst das Ministerium die Problematik zusammen.
Damit verbunden sei das Problem, nicht ausreichend Ärzte mit passender Expertise an allen Standorten zu haben. „Die meisten Ärzte möchten lieber innerhalb der größeren, dänischen Städte wohnen“, berichtet Holgersen. Durch die Zentralisierung der 21 Notfallkrankenhäuser könne man eine attraktivere Arbeitsumgebung für die dänischen Ärzte schaffen.
Auch deshalb sollen die Hausärzte in den Regionen zukünftig als „gate keeper“ fungieren und die Patienten bereits in der Primärversorgung adäquat versorgen. Durch diese Verlagerung hofft man, die Kosten im Gesundheitswesen kleinzuhalten und die Patientenströme zunehmend in die Primärversorgung umzulenken. So gebe es nicht zuletzt auch weniger Abhängigkeiten von den klinischen Arbeitskräften, heißt es im Ministerium.
Demografie und regionale Versorgungslücken als Auslöser
Die Umstrukturierung ist auch der demografischen Entwicklung Dänemarks geschuldet: weniger Steuerzahler und Gesundheitsfachkräfte, dafür steigende Bevölkerungszahlen im oberen Alterssegment ab 65 Jahren. „Die Notwendigkeit war da, größere und stärkere Krankenhäuser zu schaffen, welche die kritische Masse an Patienten versorgen können“, erklärt der DAICY-Experte im Gespräch mit kma Online. Am Beispiel Brustkrebs verdeutlicht er, dass die Versorgungsqualität auch regional bislang sehr unterschiedlich war: „Wer in Kopenhagen Brustkrebs hatte, hatte per se bessere Überlebenschancen als beispielsweise jemand, der auf der Insel Bornholm lebt.“ Für den Anstieg der Überlebensraten bei Krebs in den letzten 15 Jahren spielen laut Holgersen neben der Zentralisierung der medizinischen Fachgebiete jedoch auch die seit 2007 etablierten Krebspatientenpfade eine wichtige Rolle.
Durch eine neue Arbeitsteilung in der Gesundheitsversorgung soll nun verstärkt auf die bisherigen regionalen Unterschiede reagiert werden: „Mit der Umgestaltung des dänischen Gesundheitswesens, zu der auch das Super-Krankenhaus-Programm gehört, setzen wir auf eine stärkere vorklinische Notfallversorgung, mehr Kohärenz zwischen den Sektoren und eine neue Schlüsselrolle für den Primärsektor“, fasst Holgersen die Visionen des Gesundheitsministeriums zusammen.
Die dänische Vision: der Patient im Zentrum der Behandlung
Das Super-Krankenhaus-Programmm ist somit Teil eines breiteren Konzepts, das auf der digitalen Transformation fußt, die seit 2003 durch die nationale IT-Strategie unterstützt wird und darauf abzielt, eine digitale Infrastruktur mit gemeinsamen Standards, sicheren Plattformen und Werkzeugen zur Unterstützung einer sicheren Gesundheitsversorgung in allen Sektoren aufzubauen. Holgersen zeigt auf: „Die neueste Strategie aus dem Jahr 2018 heißt Coherent and Trustworthy Health Network. Mit dieser wollen wir die Patienten gezielt unterstützen und befähigen, an ihrer eigenen Behandlung teilzunehmen“, so sein Credo.
Wie steht es nun um die einzelnen Klinikstandorte im Super-Krankenhaus-Programm? Laut Ministerium wurden zehn der 16 Projekte bereits vollständig in Betrieb genommen, drei teilweise: „Einige Projekte verzögern sich weiter, da sie mit ernsten Problemen konfrontiert sind.“
So verzögert sich beispielsweise derzeit die Finalisierung am Standort Aalborg. Andere Standorte wie Herlev und Aarhus sind bereits im Echtbetrieb. Einige Kliniken haben technische Pionierprojekte eingeführt, deren Spektrum von Robotik bei der Sterilgutversorgung bis zum KI-Einsatz reicht: Nominiert und ausgezeichnet wurde beispielsweise das RFID-Projekt am Universitätskrankenhaus Aarhus, das auf eine logistische Tracking-Installation setzt, um trotz seiner riesigen Fläche im Stadtformat noch effizient zu sein. So können Ressourcen aller Art – Betten, Ausstattung, Patienten und Klinikpersonal – schnell geortet und gefunden werden.