Teleradiologienetz setzt auf Künstliche Intelligenz
Teleradiologienetz setzt auf Künstliche Intelligenz Folker Lück
Als erstes Teleradiologienetz in Deutschland verwendet Reif & Möller bei der Befundung jetzt Künstliche Intelligenz. Das Netzwerk setzt dabei auf den israelischen KI-Spezialisten Aidoc.
„Wir haben das Projekt gestartet, um die Qualität der medizinischen Versorgung für die PatientInnen und die Arbeitsbedingungen der BefunderInnen zu verbessern“, betont Dr. med. Torsten Möller, Vorstand von Deutschlands größtem Teleradiologienetz Reif und Möller Diagnostic-Network AG mit Hauptsitz in Dillingen/Saar. Nach eingehenden Produktprüfungen haben wir uns für Aidoc entschieden”, erklärt Dr. Möller.
Das israelische Unternehmen Aidoc gilt als führender Anbieter auf dem Gebiet der KI für das Gesundheitswesen. Es verfügt über zehn CE-gekennzeichnete KI-Lösungen zur Unterstützung in der Detektion, Priorisierung und Kommunikation verschiedener Anomalien. Das Modul-Portfolio aus der Eigenentwicklung wird durch eine Plattformlösung mit Drittpartner-Modulen ergänzt und durch ein AI Operating System orchestriert. Als breit aufgestellter KI-Partner wird Aidoc bereits in über 900 medizinischen Zentren weltweit klinisch eingesetzt, darunter im Unfallkrankenhaus Berlin und in den Landeskliniken Salzburg.
Ein gemeinsames Team bestehend aus IT-Experten von Reif & Möller und KI-Spezialisten von Aidoc sorgte für die Implementierung. Bereits nach wenigen Wochen waren rund 70 dezentrale Befundungsplätze angebunden. Für Aidoc Vice President Europe Alexander Böhmcker lief die Implementierung auch deshalb so reibungslos, weil das System als Cloudlösung entwickelt wurde. In einer sechsmonatigen Testphase ging es nicht nur um die Leistungsfähigkeit der KI in der Befundung, sondern auch um die nahtlose Integration in die Betriebsabläufe zwischen Aidoc und den in ganz Deutschland, Österreich und Lichtenstein verteilten Krankenhäusern und den Befunderinnen und Befundern von Reif & Möller.
Funktionalität innerhalb einer Stunde erklärt
Ebenso spielten die Nutzerfreundlichkeit und die Servicequalität des KI-Anbieters eine bedeutende Rolle. „Beim wichtigen ‚go-live-Moment‘ waren alle RadiologInnen eingeladen per Videokonferenz an einer Nutzerschulung teilzunehmen. Dabei war ein großer Vorteil, dass wir die Funktionalität innerhalb von nur einer Stunde erklären konnten“, erläutert Böhmcker.
Nach der Testphase wurde die KI jetzt in den Regelbetrieb übernommen. „Das System von Aidoc läuft äußerst zuverlässig, lässt sich leicht bedienen und ließ sich unkompliziert in unsere bestehenden Systeme integrieren. Der Workflow ist wie aus einem Guss. Außerdem verfügt Aidoc durch die internationale Kooperation mit Krankenhäusern über einen großen Schatz an Implementierungserfahrungen aus verschiedenen Ländern”, freut sich Dr. Möller.
Retrospektive Studie durchgeführt
Auch die Befundungsergebnisse überzeugen. So wurden parallel zum praktischen Einsatz bereits existierende Befunde der RadiologInnen durch die KI-Algorithmen überprüft. Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden in einem beliebig gewählten Zeitraum aus dem Patientengut von Reif & Möller 2.700 CT-Untersuchungen ausgewählt. Hier fand die KI zusätzlich zu den 189 von den Radiologen diagnostizierten Hirnblutungen noch zehn weitere Blutungen sowie acht weitere unklare Fälle, die zwar abschließend nicht einwandfrei als Hirnblutung klassifiziert werden konnten, jedoch Folgeuntersuchungen nahelegen würden. „Diese ersten Ergebnisse waren damit noch besser, als wir erwartet hatten“, so Dr. Möller.
Weitere vergleichende Untersuchungen sollen die Validität dieser ersten Ergebnisse erhärten. Fest steht allerdings schon jetzt: Richtig eingesetzt, entlasten die intelligenten Programme die RadiologInnen von Routineaufgaben und verschaffen ihnen mehr Zeit für anspruchsvolle Tätigkeiten. Außerdem unterstützen sie den Menschen bei der Diagnostik und Entscheidungsfindung, da sie krankhafte Veränderungen schneller und präziser finden und klassifizieren können als das menschliche Auge. Das ist vor allem dann wichtig, wenn es etwa beim Verdacht auf lebensbedrohliche Erkrankungen auf Sekunden ankommt. Das gilt unter anderem für den Einsatz bei Kopfverletzungen, sowie der Suche nach Embolien in der Lunge oder im Bauchraum.
KI wie eine schnelle Zweitbefundung
„Vor allem bei der Priorisierung leistet die KI gute Dienste“, resümiert Dr. Möller. „Wird die KI fündig, fängt auf dem Bildschirm augenblicklich ein Signal an orange zu blinken. Für Radiolog:innen ist das ein Hinweis, sich dieses Bild bevorzugt anzuschauen“, erklärt Dr. Möller. KI sei in diesem Fall wie eine schnelle Zweitbefundung, die dabei hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Damit rücken schwere Fälle automatisch nach vorne und kritische Patient:innen können schneller behandelt werden.
Für das Teleradiologienetz hat die vorangegangene Testphase aber auch gezeigt, dass man der KI nicht blind vertrauen darf, denn auch die intelligentesten Systeme können Fehler machen. „Die KI wird auf absehbare Zeit nicht die RadiologInnen vollständig ersetzen können. Vielmehr ergänzt sie die Arbeit der Menschen und verbessert so die Qualität der Befundung. Es ist die Synergie von Menschen und Künstlicher Intelligenz, die das beste Ergebnis erzielt“, so Dr. Möller.
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