Telemedizinisches Gehen überzeugt den G-BA
Telemedizinisches Gehen überzeugt den G-BA unknown
Ein Gehtraining mit Fitnessarmband und regelmäßigem telefonischen Gesundheitscoaching hilft Patientinnen und Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) besser als die herkömmliche Therapie. Die Betroffenen sind körperlich fitter, können eine längere Strecke als zuvor zu Fuß bewältigen und ihre Gehgeschwindigkeit steigern. Auch das Treppensteigen verbessert sich. Das zeigt der Abschlussbericht des Versorgungsprojekts „pAVK-TeGeCoach“, an dem rund 2.000 Menschen mit pAVK teilnahmen. Davon erhielten 442 Patient:innen das Coaching über das Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK).
Das mit rund sieben Millionen Euro aus dem Innovationsfonds geförderte Projekt hat vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Empfehlung zur Übernahme in die Regelversorgung erhalten. Konsortialpartner waren die Techniker Krankenkasse, die mhplus BKK, die Robert Bosch Gesellschaft für medizinische Forschung sowie die Unternehmen Philips und IEM und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Tracking und Gesundheits-Coaches greifen ineinander
„Das telemetrisch unterstützte Gehtraining verbessert die Mobilität und Lebensqualität der Erkrankten signifikant. Die engmaschige Therapiebegleitung hilft den Betroffenen, einen bewegten und gefäßförderlichen Lebensstil einzuüben und beizubehalten. Das Fortschreiten der pAVK wird nachweislich verzögert“, sagt Hannes Böbinger, Projektleiter der TK im Team Innovationsfonds & Produktportfolio. „Die positiven Effekte hielten auch noch ein Jahr nach Abschluss des Programms an. Wir freuen uns daher sehr über die Übernahmeempfehlung.“ In der Regelversorgung ist das spezielle Gehtraining bislang nicht vorgesehen. Zu den herkömmlichen Therapieangeboten gehören Gefäßsportgruppen, Diabetesschulungen oder Ernährungskurse.
Die Teilnehmer:innen nutzten für das Gehtraining ein digitales Fitnessarmband, erfassten mit dem Aktivitätstracker die individuelle tägliche Gehstrecke und ihre Herzfrequenz. In einer Tagebuch-App dokumentierten sie die Trainingseinheiten. Alle Werte flossen in Echtzeit auf einer digitalen Plattform zusammen. Darauf konnten Gesundheits-Coaches die Werte einsehen, analysieren und Trainingspläne anpassen. Ärzt:innen erhielten quartalsweise strukturierte Gesundheitsberichte von den Coaches, um bei Bedarf Anpassungen in der Therapie vorzunehmen. Parallel fand ein telefonisches Coaching durch die Gesundheits-Coaches statt. „Das individuelle Coaching zeigt, dass Begleitung und Beratung entscheidend zum Trainingserfolg beitragen“, sagt Benjamin Finger, Leiter der Telemedizin am RBK, „die Patient:innen sind durch die direkte Ansprache der Coaches deutlich motivierter.“
Gehbeeinträchtigungen nehmen signifikant ab
Die wissenschaftliche Auswertung der neuartigen Versorgung zeigt: Programmteilnehmer:innen schnitten im Symptombereich „Gehbeeinträchtigung“ gegenüber einer Kontrollgruppe signifikant besser ab. In Punktwerten gemessen hatte die Projektgruppe nach zwölf Monaten einen um 8,4 Punkte besseren Score als zu Beginn des kombinierten Gehtrainings und Coachings. Die Kontrollgruppe, die nur die gängige Versorgung sowie einen Ordner mit Broschüren zu ihrer Erkrankung erhielt, erreichte in zwölf Monaten hingegen nur eine Verbesserung von 2,09 Punkten im Vergleich zum Versorgungsbeginn.
Bei der Gruppe, die das Programm durchlaufen hat, erhöhte sich auch die allgemeine Lebensqualität stärker. Signifikante Unterschiede zeigten sich zudem in allen Kategorien der krankheitsspezifischen Lebensqualität, also in den Bereichen Aktivität, Schmerzen, Symptome, Sozialleben und Emotionales. Die psychischen Belastungen verringerten sich, die Gesundheitskompetenz verbesserte sich. Das spiegelt sich auch in einer hohen Zufriedenheit mit dem Programm: Mehr als 80 Prozent gaben an, dass sie großes oder eher großes Vertrauen in den TeGeCoach hätten und bewerteten die Qualität als hoch oder eher hoch. Mehr als 90 Prozent waren sehr zufrieden oder eher zufrieden mit der Qualität und dem Umfang der zur Verfügung gestellten Informationen. „Es hat uns besonders gefreut, dass unsere Leistungen in der digitalen Kommunikation mit den Teilnehmenden zu einem so hohen persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Coaches geführt haben“, so Finger.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit der am 24. Januar 2023 ausgesprochenen Empfehlung des G-BA geht das Projekt PAVK-TeGeCoach jetzt zurück an die Verbände der Kranken- und Pflegekassen sowie an die kassenärztlichen Vereinigungen, die gebeten werden, zu prüfen, wie Erkenntnisse des Projekts in die Regelversorgung überführt werden können. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und andere Beteiligte der Rahmenvereinbarung Rehabilitationssport und Funktionstraining werden informiert, um zu prüfen, inwieweit die Projektergebnisse bei der Verordnung von Leistungen nach §43 SGB V/§64 SGB XI berücksichtigt werden können.
Philipp Grätzel, mit Material von G-BA und Techniker Krankenkasse
Weitere InformationenG-BA Beschluss, Ergebnisbericht und Evaluationsbericht des Innovationsfonds-Projekts PAVK-TeGeCoach https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/pavk-tegecoach-periphere-arterielle-verschlusskrankheit-pavk-gesundheitscoaching-und-telemetrisch-unterstuetztes-gehtraining-zur-steigerung-der-lebensqualitaet.129