Start-Up des Monats »InformMe«: Papierlos ins digitale Wartezimmer
Start-Up des Monats »InformMe«: Papierlos ins digitale Wartezimmer unknown
22. Juni 2023, 9:30 Uhr | Ute Häußler
Die InformMe-Gründer von links nach rechts: Sebastian Dieterle, Prof. Dr. Thomas Henzler, PD Dr. Joshua Gawlitza, Jonas Eicher.
Junge Gründer, große Ideen – Start-ups trauen sich das, wovor große Unternehmen oft Angst haben. InformMe aus München will das Papierchaos in der Medizin beenden und digitalisiert dafür die Patientenkommunikation.
Wie lautet euer Elevator Pitch?
Im Krankenhaus oder in der Arztpraxis sind Unmengen an Formularen an der Tagesordnung. Mit InformMe digitalisieren wir den gesamten Formularprozess, vom Anamnesebogen bis hin zur Aufklärung. Die Patienten nutzen dafür ihr eigenes Smartphone, müssen aber keine App installieren. Mit Fremdsprachen und in leichter Sprache kann jede Person mündig und barrierearm teilhaben. Unterzeichnet wird dabei alles ISO-konform am eigenen Endgerät. In einem digitalen Wartezimmer kann das Praxispersonal derweil live die Eingabe verfolgen und für eventuelle Risikopatienten den Untersuchungsablauf anpassen. Über unser CMS kann die Praxis ohne Extrakosten neue Informationen einfügen oder bearbeiten.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
InformMe ist ein Resultat unserer eigenen schmerzlichen Erfahrung. Die zwei Ärzte in unserem Team haben die aktuelle Situation in den Praxen am eigenen Leib erfahren: lange Warteschlangen, teils unvollständige Formulare, Patient*innen, die nicht wirklich verstehen, was mit ihnen passieren wird. Klemmbrett und Papier sind kein verlässlicher Indikator im Prozess. Gehen Dokumente verloren, stockt oft der Workflow. Tablets als Alternative sind auch nur digitales Papier und killen den Workflow ebenso. Außerdem haben viele Anwendungen ein eigenes Datenbankmanagement, was bei bereits parallel laufenden Labor-, Klinik- und Bildsystemen noch mehr Softwarechaos bedeutet – viele sind zudem nicht individuell anpassbar, oder wenn, dann nur mit Extrakosten. Um diese Abläufe systematisch neu und digital abbilden zu können, haben wir InformMe gegründet.
Was war euer größter Erfolg?
Auch wenn es vielleicht »cheesy« klingt, das ist unser Team. Wir fanden großartige, motivierte Talente und arbeiten gemeinsam an einem praxisorientierten Produkt – wow. Produktseitig war die Einführung in einer abgelegenen Landarztpraxis unser größter Erfolg. »Das wird hier auf dem Land niemals funktionieren«, sagte das Praxispersonal vorab – jetzt ist die Digitalisierungsrate mittlerweile so hoch wie in fast keiner anderen Praxis. Zusätzlich konnten die Papier- und Tonerbestellungen um über 80 Prozent reduziert werden – das macht uns stolz.
Und der größte Rückschlag?
Die Schnittstellenstandards der meisten Medizinprodukte basieren z. B. noch auf Protokollen, die eigentlich für Disketten entwickelt wurden. Zwar gibt es einige Ausnahmen, aber der größte Rückschlag war sicherlich die mangelnde Bereitschaft einiger Hersteller, sich auf moderne Technologien einzulassen. Das hat unsere Entwicklung gerade in der Anfangszeit drastisch gebremst. Dafür sind wir jetzt quasi mit jedem System kompatibel.
Wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Unsere Firma ist bis dato unabhängig von externen Investoren. Diesen autarken Fokus, für den wir auch sehr viel positives Feedback erhalten, wollen wir unbedingt beibehalten. In fünf Jahren sehen wir uns als gesund gewachsene, stabile Firma mit Kunden aus allen Sparten der Medizin, einer tiefen Integration in alle gängigen Systeme und darüber hinausreichenden Partnerschaften.
Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?
Ein großes Thema ist die »personalisierte Medizin« und auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapien. Diese personalisierte Therapie und Diagnostik wird weiter zunehmen. In den strukturellen Prozessen muss die Medizin allerdings noch wachsen; sie sind z. B. von der Terminvergabe über die Aufnahme in der Praxis/Klinik bis hin zur Untersuchung oder Therapie für einen schwer erkrankten 80-Jährigen genau dieselben wie für einen fitten 20-Jährigen, der sich nur den Knöchel verstaucht hat. Auch wird viel mehr Augenmerk auf Vor- statt Nachsorge gelegt werden. InformMe bietet bereits heute ein Stück dieser Medizin der Zukunft.
Über InformMe |
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Anzahl der Kunden: >20 Gründung: Dezember 2021 Mitarbeiter: 10 Finanzierung: Bootstrapping Förderung: Amazon Web Services (AWS) hat mit dem »AWS Healthcare Accelerator for Workforce« ein Förderprogramm ins Leben gerufen, das sich speziell an Start-ups richtet, die im Bereich Mitarbeiterbindung, Einsatz und Schulung von Fachkräften im Gesundheitswesen tätig sind. Unter den weltweit 23 Start-ups ist auch das Münchner Digital-Health-Start-up InformMe. |