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Spannendes Duell auf dem Apothekenmarkt

NZZ-Artikel vom 1. April 2023

Der Online-Händler Shop Apotheke expandiert in der Schweiz – die Konkurrenzierung der Migros lässt auf tiefere Preise hoffen

DOMINIK FELDGES

Die Schweiz ist ein Land von Apotheken. Über 1800 gibt es landesweit, womit die meisten Haushalte eine in Gehdistanz vorfinden. Das erklärt zugleich aber auch, weshalb Online-Verkaufsstellen für Medikamente und weitere Gesundheitsprodukte sich hierzulande anders als beispielsweise in Frankreich oder anderen Ländern mit grossen Distanzen wie den USA bis heute schwertun.

Das niederländische Unternehmen Shop Apotheke Europe gehört zu einer grösseren Zahl von Unternehmen, die es mit Blick auf die kaufkräftige Schweizer Bevölkerung gleichwohl versucht haben. Doch selbst diese Firma, die sich als führende Betreiberin von Online-Apotheken in Deutschland, Österreich und Belgien bezeichnet, musste sich in der Schweiz seit ihrem Markteintritt 2018 mit bescheidenen Umsätzen begnügen.

Analytiker der Zürcher Kantonalbank schätzen den jüngsten Schweizer Jahresumsatz von Shop Apotheke auf 20 bis 30 Millionen Franken. Der Finanzchef des Unternehmens wollte an einer Präsentation für Investoren am Zürcher Flughafen diesen Wert zwar nicht bestätigen, liess aber durchblicken, dass er eine realistische Einschätzung darstelle.

Kooperation mit Galenica

Shop Apotheke will es nun nochmals wissen und hat sich dafür mit dem Pharmagrossisten Galenica, dem grössten Betreiber von physischen Apotheken in der Schweiz, zusammengetan. Gemeinsam werde man die führende Online-Apotheke in der Schweiz bilden, kündigten die beiden Partner an. Stefan Feltens, der Konzernchef von Shop Apotheke, sagte in Zürich, man werde den Kunden nicht nur eine breitere Palette an Produkten und Dienstleistungen als bis anhin offerieren, sondern auch ein «deutlich überzeugenderes Wert-Angebot» unterbreiten.

Das lässt erwarten, dass die Firma Shop Apotheke, die beim Joint Venture mit Galenica mit 51 Prozent die Mehrheit halten wird, Schweizer Konsumenten preislich entgegenkommen wird. Bekannt ist, dass nicht nur rezeptpflichtige Medikamente, sondern auch frei erhältliche Gesundheitsprodukte in der Schweiz oft deutlich teurer sind als beispielsweise in Deutschland. Dies führt dazu, dass Drogeriemärkte und andere Anbieter frei erhältlicher Gesundheitsprodukte in Grenznähe von Schweizer Kunden an manchen Tagen regelrecht überrannt werden.

Allerdings wartet die Schweiz ähnlich wie Deutschland noch immer auf die breite Einführung von elektronischen Rezepten. Diese würden den Online-Bezug von rezeptpflichtigen Medikamenten deutlich erleichtern. Eine Schweizer Eigenheit ist zudem, dass nicht rezeptpflichtige Arzneimittel wie Kopfwehtabletten und Hustensirup weiterhin nur in physischen Apotheken abgegeben werden dürfen. Eine Liberalisierung dieses Marktes ist jedoch in Sicht. Bei Galenica ist man hoffnungsfroh, dass sie bis 2025 oder 2026 Tatsache werden wird.

Galenica besitzt in der Schweiz 370 eigene Apotheken. Zusammen mit den Filialen, die sie gemeinsam mit dem Grossverteiler Coop unter dem Namen Coop Vitality führt, kommt sie auf über 500 Verkaufsstellen. Wie das Management des Berner Gesundheitskonzerns an der Investorenorientierung betonte, sind diese nicht Teil des Joint Venture mit Shop Apotheke.

Das Schweizer Unternehmen bringt indes seinen bisherigen Geschäftsbereich Mediservice ein. Dieser Anbieter ist auf den Versand von Medikamenten an Patienten spezialisiert, die an chronischen Krankheiten leiden. Pro Tag verlassen 700 bis 1000 Pakete die Zentrale im solothurnischen Zuchwil. Weil es sich in vielen Fällen um teure rezeptpflichtige Medikamente für Krebspatienten oder Betroffene von Autoimmunerkrankungen handelt, liegt ihr Wert oft im vierstelligen Bereich. Der Umsatz von Mediservice übersteigt 400 Millionen Franken und war offenbar stark wachsend. Man habe ihn in den vergangenen zehn Jahren jährlich um einen zweistelligen Prozentsatz erhöht, hiess es aufseiten von Galenica.

Die beiden Partner haben sich im Zuge der Bildung des Joint Venture auch darauf verständigt, dass Galenica eine Beteiligung von 8 Prozent am Kapital von Shop Apotheke erhalten wird.

Finanziert wird dies nicht nur durch die Abtretung von 51 Prozent der Anteile an Mediservice an Shop Apotheke. Galenica leistet zusätzlich eine Barzahlung von 29 Millionen Euro.

Laut der Konzernführung von Galenica versteht sich die Beteiligung an Shop Apotheke als langfristiges Engagement. «Wir werden nicht verkaufen», beteuerte das Management. Das Unternehmen wird sich damit neu auch der Entwicklung des deutschen Marktes aussetzen, der für Shop Apotheke mit Abstand der wichtigste ist.

Zur Rose zieht sich zurück

Deutschland steht auch im Zentrum der Aktivitäten eines weiteren Schweizer Pharmagrossisten, der Gruppe Zur Rose. Das Frauenfelder Unternehmen, das sich neu in Doc Morris umbenennen will, liefert sich seit Jahren einen Schlagabtausch mit Shop Apotheke in diesem Markt.

Wie Anfang Februar 2023 bekanntwurde, wird sich Zur Rose aus sämtlichen Geschäften in der Schweiz zurückziehen. Neuer Eigentümer der Aktivitäten, die nicht nur den Grosshandel mit Medikamenten, sondern auch eine Schweizer Online-Apotheke umfassen, soll die Migros-Tochterfirma Medbase werden. Mit der finanzkräftigen Migros sowie den beiden Partnern Shop Apotheke und Galenica verspricht der Kampf um die Schweizer Vorherrschaft im Online-Handel mit Gesundheitsprodukten spannend zu werden.