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Sektorengleiche Vergütung bietet große Chance für Ambulantisierung

Sektorengleiche Vergütung bietet große Chance für Ambulantisierung
Sektorengleiche Vergütung bietet große Chance für Ambulantisierung

Sektorengleiche Vergütung bietet große Chance für Ambulantisierung

/Racle Fotodesign, stock.adobe.com

Berlin – Die geplante sektorengleiche Vergütung von Leistungen, die künftig sowohl stationär als auch am­bulant erbracht werden sollen, bietet eine große Chance, die genutzt werden muss. Das betonte gestern Thomas Czihal, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) bei der Veranstaltung „Zi insights“.

Einer Ambulantisierung dürften keine ökonomischen Anreize entgegenstehen, sonst funktioniere sie nicht, erklärte Czihal weiter. Zudem brauche es Mut die Vergütungshöhe entsprechend anzupassen, um tatsächlich die gewünschte Anreizwirkung auch entfalten zu können.

Die starken Preisunterschiede zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung seien Czihal zufolge mit dafür verantwortlich, dass die Ambulantisierung nach wir vor nur schleppend voranschreite.

Ein prägnantes Beispiel sei die Leistenbruch- und Katarakt-Operation. „Die stationäre Durchführung der Leis­tenbruchoperation (Hernia inguinalis) wird 3,4-mal höher vergütet als die ambulante.“ Die Operation werde derzeit zu 96 Prozent stationär erbracht.

Die stationäre Durchführung der Kataraktoperation werde hingegen lediglich 1,8-mal höher vergütet als die ambulante. Das Ergebnis: In 84 Prozent aller Fällen werde diese Leistung ambulant erbracht.

„Nach unseren Berechnungen beträgt die Vergütung der stationären Durchführung von Leistungen des Ab­schnitts 1 des Katalogs ambulant durchführbarer Leistungen (AOP-Katalog) durchschnittlich rund das Vier­fache der Vergütung einer ambulanten Leistungserbringung. Eine möglichst hohe Vergütung für die ambu­lante Durchführung wird ein wichtiger Anreiz zur Förderung der ressourcenschonenderen ambulanten Be­hand­lung sein“, so Czihal weiter.

Gleiche Vergütung soll mit kleiner Krankenhausreform kommen

Hintergrund ist ein Vorhaben der Regierungskoalition, für ambulant durchführbare Behandlungen einen Ver­gütungsbetrag festzulegen – unabhängig davon, ob diese Leistung im Krankenhaus ambulant oder stationär beziehungsweise durch eine Arztpraxis erbracht worden ist. Dieser Vergütungsbetrag soll zwischen der Fall­pauschale für die stationäre Krankenhausbehandlung (DRG) und der vertragsärztlichen Vergütung liegen.

Damit sollen ambulante Behandlungen gefördert und Krankenhausstrukturen entlastet werden. Konkret soll mit dem Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetz, das morgen in zweiter und dritter Lesung im Bundestag bera­ten werden soll, ein neuer Paragraf 115f in das Sozialgesetzbuch (SGB) V aufgenommen werden.

Darin werden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beauftragt, bis zum 31. März 2023 für geeig­nete Leistungen aus dem AOP-Katalog eine spezielle sektorengleiche Vergütung zu vereinbaren. Im Vorder­grund stehen dabei Leistungen des AOP-Katalogs, die nach wie vor in hohem Maße stationär durchgeführt werden.

Insgesamt zeige die Diskussion, dass KBV, DKG und GKV-Spitzenverband alle Instrumentarien in den Händen hielten, um bis zum 31. März 2023 einen umfangreichen Katalog von Leistungen für die sektorengleiche Ver­gü­tung festzulegen, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. „Um die Ambulantisierung zu fördern, müsste das Preisgefälle im Vergleich zur bisherigen stationären Durchführung in den ersten Jahren möglichst gering sein“, bekräftigte er.

Martin Albrecht, Geschäftsführer des IGES Instituts, sieht zudem Potenzial, den Katalog der ambulantisier­baren Leistungen um rund 2.500 medizinische Leistungen umfassend zu erweitern. „Da dieselbe Leistung bei sehr unterschiedlichen Patientinnen und Patienten durchgeführt werden kann, unterscheiden sich die jeweiligen ambulantisierbaren Anteile“, sagte er.

Es brauche daher zur Wahrung der Patientensicherheit ein System der Kontextberücksichtigung. Ein solches ermögliche auf Grundlage nachprüfbarer Krankheits- und Behandlungsumstände zu entscheiden, ob Patien­tinnen und Patienten ambulant, ambulant mit erhöhtem Betreuungsaufwand oder doch stationär versorgt werden. Dies lasse sich weitgehend ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand umsetzen und vermeidet die vielen Unschärfen, die heute zu zahlreichen Prüfverfahren führen.

Dies sah Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, allerdings kri­tisch. Diese Kontextüberprüfung sei bereits schon bei der Auswahl der richtigen Faktoren schwierig, so Schreyögg. Diese Überlegung bleibe immer normativ.

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Problematisch sei zudem, dass der medizinische Dienst nach diesem Vorgehen am Ende mehr zu prüfen habe als vorher. Das sollte mit der Einführung der sektorengleichen Vergütung allerdings vermieden werden, um Bürokratiemaßnahmen und entsprechende Prüfungen zu reduzieren, so Schreyögg.

Er schlägt hingegen eine Implementierung in zwei Phasen vor. „Beide sehen die Vergütung unabhängig vom Ort der Behandlung, aber in Abhängigkeit der medizinischen Komplexität vor.“ Ausgehend vom AOP-Katalog solle in der ersten Phase zunächst eine pragmatische Orientierung an den bestehenden Fallpauschalen erfolgen.

Dabei würden sektorengleiche Leistungsgruppen auf Basis des bestehenden Kostenrahmens des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus kalkuliert und über sektorengleiche Pauschalen vergütet. Eine temporäre Überfinanzierung sei dabei wichtig. „Denn klar ist doch: Wir brauchen einen Anreiz, um neue Strukturen zu schaffen“, betonte Schreyögg. © cmk/EB/aerzteblatt.de

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