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Krankenhäuser: Wir müssen jetzt mit dem Klimaschutz beginnen

Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die Bundesregierung aufgefordert, aus dem Sondervermögen zur Klimaneutralität ein Green-Hospital-Investitionsprogramm aufzulegen.

„Krankenhäuser können als Großverbraucher einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten“, betonte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, gestern auf der Veranstaltung „Klimaschutz in Krankenhaus“ in Berlin. Denn die bauliche und technische Substanz der Krankenhäuser habe unter der Unterfinanzierung im Bereich der Investitionsmittel in den vergangenen Jahren gelitten. So führten heute mangelhafte Fassadendämmung, veraltete Heizkessel und jahrzehntealte Installationen zu unnötigen Mehrverbräuchen.

Die Krankenhäuser müssten aber in die Lage versetzt werden, in Technik und Prozesse investieren zu können. „Langfristig benötigen die Kliniken deshalb dringend Investitionen, um den Klimaschutz an Kliniken zum Beispiel in Form moderner Heizungsanlagen und Gebäudesanierungen zu verbessern“, betonte Gaß.

Gaß: Jetzt ist der Zeitpunkt, um über Klimaschutz zu sprechen

„Vielleicht denken sich jetzt manche: Warum macht die DKG zu diesem Zeitpunkt eine Konferenz zum Thema Klimaschutz? Haben die angesichts der aktuellen Krisen keine wichtigeren Themen?“, sagte Gaß zu Beginn der Veranstaltung. Doch genau jetzt sei der richtige Zeitpunkt, über den Klimaschutz zu sprechen. „Denn es ist bitter notwendig, dass wir in diesen Zeiten nicht nur Pflaster kleben, sondern uns um die strukturellen Probleme kümmern, die wir haben“, so Gaß. Und Klimaschutz brauche Zeit. „Wenn wir bis 2045 CO2-neutral werden wollen, müssen wir jetzt damit beginnen“, sagte er. Denn große Baumaßnahmen bräuchten eine Vorlaufzeit von vielen Jahren.

„Wenn Bund und Länder in den kommenden fünf Jahren jeweils zwei Milliarden Euro für die Sanierung der Gebäudehüllen und die Modernisierung der Heizungsanlagen in den Krankenhäusern einsetzen würden, könnte ein messbarer Beitrag für den Klimaschutz und eine Reduzierung bei den Betriebskosten erreicht werden“, betonte Gaß.

Wilfried Endlicher vom Geographischen Institut der Humboldt-Universität Berlin wies darauf hin, wie dringlich die Treibhausgasemissionen auch im Gesundheitssystem reduziert werden müssten. „Wir müssen uns in Deutschland und weltweit auf immer häufigere, länger anhaltende Hitzewellen einstellen“, sagte er. Allein in Deutschland seien dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge in diesem Sommer 4.500 Menschen durch die Hitze gestorben.

Dabei sei die globale Erwärmung nicht mehr aufzuhalten. „Wir können aber beeinflussen, wie schnell es geht“, sagte Endlicher. „Und wir müssen uns an die Folgen der Klimaerwärmung anpassen.“ Das sei aber nur innerhalb einer bestimmten Grenze möglich. „Wenn die Erwärmung zu extrem wird, können wir uns nicht mehr anpassen“, betonte der Geograph.

Er wies darauf hin, dass sich Deutschland ein Zaudern wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr leisten könne. „Wir wissen schon sehr lange, dass es den Klimawandel gibt“, sagte Endlicher. „Bereits von 1987 bis 1990 tagte die Klima-Enquete-Kommission ‚Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre‘ – gestützt von der Überzeugung der damaligen Bundesregierung, dass ‚die Klimaproblematik das derzeit größte Umweltproblem sei‘, wie es der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl formuliert hat.“ Seither sei jedoch nur wenig passiert. „Wir haben ein halbes Jahrhundert des Zauderns beim Klimaschutz erlebt“, sagte Endlicher.

Klimaschutzmanagement einrichten

Oliver Wagner vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie nannte die Bereiche im Krankenhaus, die für die größten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Demnach machen 18,1 Prozent die Emissionen aus dem sogenannten Scope 2 aus, der die Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom oder Fernwärme umfasst. 16,2 Prozent stammen aus dem Scope 1, der die direkte Freisetzung von Treibhausgasen im Krankenhaus umfasst, zum Beispiel bei der Verbrennung von Erdgas. Innerhalb des Scope 3, der alle weiteren, externen Emissionen umfasst, macht der Bereich „Lebensmittel, Gastronomie und Beherbergung“ mit 12,9 Prozent den größten Bereich aus. Das Wuppertal Institut rechnet dabei mit einem durchschnittlichen Modellkrankenhaus, das 5.400 Tonnen CO2 pro Jahr verbraucht.

Wagner erklärte, in welchen Bereichen Krankenhäuser aktiv werden müssten, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. „Zunächst muss ein Klimaschutzmanagement eingerichtet werden, das für die Reduktion der Emissionen zuständig ist und das einen entsprechenden Fahrplan erarbeitet“, sagte Wagner. Die größten Einsparungen bringe dabei eine energetische Sanierung der Gebäudehülle, die Installation von Photovoltaikanlagen und eine Erneuerung von Wärme- und Kälteerzeugung sowie von Lüftungsanlagen.

Gesunde Ernährung finanzieren

Der Kaufmännische Direktor der LWL-Kliniken Münster und Lengerich, Thomas Voß, erklärte, dass es wichtig sei, dass die Geschäftsführung den Klimaschutz im Krankenhaus glaubwürdig vorlebe. „Dann stellt man auch fest, dass sich die Beschäftigten gerne ebenfalls engagieren“, sagte er. „Viele machen das auch privat und freuen sich, wenn sie ihr Engagement auch beruflich einbringen können.“

Einerseits sei es wichtig, dass die Politik die Krankenhäuser zum Beispiel bei der Sanierung der Gebäudehülle finanziell unterstütze. Denn alleine könnten die Krankenhäuser diese Investitionen nicht stemmen. „Ich würde mir wünschen, dass Bund und Länder hier zusammenarbeiten und die richtigen politischen Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel auch bei der Ernährung“, sagte Voß. „Heute ist es egal, wie die Qualität des Essens im Krankenhaus ist.“ Dabei sei es gerade im Krankenhaus wichtig, den Patienten und Mitarbeitenden eine gesunde Ernährung anzubieten. „Wir brauchen in den Kantinen ein biologisch angebautes, gesundes Essen“, forderte Voß. „Und das muss dann durch die Krankenkassen finanziert werden.“

Viele kleinere Dinge könnten die Krankenhäuser aber auch ohne finanzielle Hilfe aktiv angehen. „Wir haben zum Beispiel bei uns aus allen Berufsgruppen stammende Verschwendungsjäger, die darauf achten, dass keine Energie unnötig verschwendet wird, zum Beispiel, weil ein Fenster bei laufender Heizung gekippt ist“, erklärte Voß.

Es gebe auch immer mehr junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die genau darauf achteten, ob ihr Arbeitgeber nachhaltig agiere oder nicht. „Wenn sie die Wahl haben zwischen einem nachhaltigen und einem weniger nachhaltigen Arbeitgeber, werden sie den nachhaltigen wählen“, meinte Voß. „Für die Gewinnung von Fachkräften wird die Nachhaltigkeit also zunehmend den Ausschlag geben.“

Klimaschutz spart Geld

Der Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Hubertus, Matthias Albrecht, betonte, dass es nicht teurer sei, nachhaltig zu agieren: „Ganz im Gegenteil. Als unser Krankenhaus mit dem Siegel ‚Energiesparendes Krankenhaus‘ zertifiziert wurde, geschah dies, um Geld einzusparen. Denn wer weniger Energie verbraucht, hat auch weniger Ausgaben.“

Albrecht wünschte sich von den Bundesländern und den Krankenhausträgern die Formulierung eines Zielbildes, an dem sich die Krankenhäuser orientieren können. „Wenn wir bis 2045 klimaneutral sein wollen, brauchen wir einen Fahrplan, damit wir die notwendigen Schritte definieren können“, betonte er. Sinnvoll sei es dabei, Anreize zu setzen, um Emissionen einzusparen. „Wenn man ein neues Großgerät kauft, könnte man zum Beispiel vorgeben, dass es einen bestimmten Prozentsatz weniger Strom verbrauchen muss als das vorige Gerät“, schlug Albrecht vor.

Digitalisierung ausbauen

Auch die Digitalisierung spiele für die Nachhaltigkeit eine Rolle. „Ich möchte nicht wissen, wie viele MRTs wir im Gesundheitswesen machen, weil wir nicht wissen, dass vor kurzem schon eines gemacht worden ist“, sagte Albrecht. Deshalb müsse die Digitalisierung zügig ausgebaut werden. Dabei dürfe der Datenschutz nicht als Argument vorgeschoben werden, um den Ausbau der Digitalisierung nicht anzugehen.

Irmgard Wübbeling, Chief Financial Officer der Sana Kliniken und Verantwortliche für Nachhaltigkeit im Konzern, betonte: „Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit wäre es, die Doppelstrukturen im stationären und ambulanten Bereich abzubauen, die sich das System heute leistet.“ Zudem müsse zum Beispiel die Zahl der Laboruntersuchungen auf das notwendige Maß reduziert werden. © fos/aerzteblatt.de