Krankenhaus Rating Report: 2030 bis zu 50 Prozent der Kliniken in Insolvenzgefahr
Krankenhaus Rating Report: 2030 bis zu 50 Prozent der Kliniken in Insolvenzgefahr unknown
Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2021 wieder verschlechtert. Elf Prozent lagen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr (Vorjahr: sieben Prozent). Dieses und weitere Ergebnisse wurde im Rahmen des Hauptstadtkongress 2023 in der neunzehnten Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“ vorgestellt. Er wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt.
Auch die Ertragslage der Kliniken hat sich negativ entwickelt, 32 Prozent der Kliniken schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust (Vorjahr: 28 Prozent). Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage war der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Status quo
- Nach einem guten Jahr 2020 hat sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Jahr 2021 wieder verschlechtert. 11 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 16 Prozent im „gelben“ und 73 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen 7 Prozent im „roten“, 25 Prozent im „gelben“ und 68 Prozent im „grünen Bereich“.
- Die Ertragslage hat sich 2021 ebenfalls verschlechtert: 32 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2020 waren es 22 Prozent. Im Jahr 2021 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis lediglich 0,8 Prozent der Erlöse, im Jahr zuvor waren es noch 1,8 Prozent.
- Die stationäre Fallzahl nahm im Jahr 2022 geringfügig um etwa 0,8 Prozent zu. Im Jahr 2020 war sie aufgrund der COVID-19-Pandemie außerordentlich stark um 13,5 Prozent gesunken, im zweiten Pandemiejahr 2021 leicht um 0,3 Prozent zurückgegangen.
- Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2021 auf 3,3 Milliarden Euro, das waren 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die gesamten Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,2 Prozent.
- Eine Auswertung vorliegender Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2020 zeigt zeitstabile Muster: Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden beim Rating und der Ertragslage deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken. Gleichwohl verschlechterte sich die Ertragslage privater Krankenhäuser 2021 im Vergleich zum Jahr 2019, während sie bei öffentlich-rechtlichen nur leicht zurückging und bei freigemeinnützigen Häusern sogar stieg. Ein signifikant besseres Rating und eine bessere Ertragslage hatten außerdem größere Kliniken, Häuser in Klinikketten, Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem höheren Casemixindex.
Projektion
Im Szenario „Fortschreibung“ wird angenommen, dass die in den Pandemiejahren beobachtete geringe Leistungsmenge dauerhaft niedrig bleibt und es nur zu einem leichten demografisch bedingten Wachstum kommt. Weiterhin werden die gestiegene Inflation sowie bereits beschlossene Kurzfristhilfen wie die Energiepreisbremse und der Härtefallfonds berücksichtigt.
Der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich würde im Jahr 2023 auf 18 Prozent und bis 2030 auf 44 Prozent steigen. Der Anteil derer mit einem Jahresverlust würde 2023 auf 47 und bis 2030 auf 58 Prozent wachsen. Ergänzend wurden fiktiv eine einmalige Stabilisierungshilfe von einer Milliarde Euro im Jahr 2023 sowie dauerhafte Hilfen in Höhe von vier Milliarden Euro jährlich ab dem Jahr 2024 angesetzt. Sie würden zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage führen. Im Jahr 2030 würden dann lediglich 26 Prozent der Häuser einen Jahresverlust ausweisen.
Würde das Leistungsniveau durch einen wachsenden Personalmangel und eine voranschreitende Ambulantisierung sinken, würde sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser dramatisch verschlechtern. Die überwiegende Mehrzahl der Kliniken würde in diesem Szenario bereits ab 2024 einen Jahresverlust machen.
Prof. Dr. Boris Augurzky ist Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI und Geschäftsführer der Institute for Health Care Business (hcb) GmbH sowie Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch (neu: Rhön Stiftung Eugen und Ingeborg Münch).
Dr. Sebastian Krolop, CEO & Founder Planet Health Foundation.
Johannes Hollenbach, Wissenschaftler im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI.
Daniel Monsees ist Wissenschaftler im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI.
Dr. Adam Pilny ist Projektleiter in der Institute for Health Care Business (hcb) GmbH.
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI.
Dr. Christiane Wuckel ist Wissenschaftlerin im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI.
Ausblick
Der Knappheit von Fachkräften in den kommenden Jahren kann mit qualifizierter Zuwanderung nur bedingt entgegengewirkt werden. Da der demographische Wandel die Bevölkerungsstruktur in ganz Europa prägt, müssten hierzu weltweit Fachkräfte angeworben werden.
Ein weiteres zentrales Vorhaben ist die große Krankenhausreform, die mehrere Ziele verfolgt. Vor allem soll die Einführung einer fallmengenunabhängigen Vorhaltefinanzierung den Mengenanreiz des DRG-Systems reduzieren, die Daseinsvorsorge stärken und über noch zu definierende Leistungsgruppen einen Anreiz zur Optimierung der Krankenhausstrukturen schaffen. Damit wird ein starker Anreiz gesetzt, Standorte zu größeren Einheiten zusammenzulegen, um damit ein höheres Versorgungslevel zu erzielen.
Ergänzt werden sollte die Krankenhausreform durch eine effektive Patientensteuerung. Sie könnte durch die Etablierung einer „Gatekeeper-Funktion“, sozial abgefederte Eigenbeteiligungen und den Ausbau der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erreicht werden. Integrierte Leitstellen (ILS) könnten die Gatekeeper-Funktion übernehmen und Hilfesuchenden abschließend helfen. Im Krankenhaus sollten Hilfesuchende auf ein Integriertes Notfallzentrum (INZ) treffen, das gemeinsam vom Krankenhaus und KV-Ärzten betrieben wird.
Mit 1200 Standorten flächendeckende Versorgung gut möglich
Die geplante Krankenhausreform formuliert implizit ein Zielbild der künftigen Krankenhausstruktur. Im Jahr 2021 waren die rund 437 000 Betten in den Allgemeinkrankenhäusern nur noch zu 66 Prozent ausgelastet. Bei einer Zielauslastung von 85 Prozent und bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde im Zielbild ein Bedarf von nur etwa 316 000 Betten bzw. rund 1200 Standorte. Eine flächendeckende Versorgung ist damit weiterhin gut möglich.
Der Weg vom Status quo zum Zielbild ist mit erheblichen Veränderungen verbunden. Auch in ländlich geprägten Regionen, in denen die Flächendeckung eine große Rolle spielt, müssen Standorte zu größeren Einheiten zusammengelegt werden. Damit ließe sich eine höheres Krankenhauslevel und bei optimaler Standortwahl gleichzeitig die Flächendeckung erreichen. Eine erste grobe Abschätzung vornehmlich in ländlich geprägten Räumen zeigt, dass fast 200 Standorte der Stufe 1 zusammengelegt werden könnten, sodass anschließend rund 80 neue Standorte der Stufen 1 bis 3 entstünden.
Würden alle diese Standorte neu gebaut, betrüge der Investitionsbedarf 18 Milliarden Euro. Dabei ist näherungsweise gegengerechnet, dass der Sanierungsbedarf an den alten Standorten entfällt. In städtischen Gebieten entsteht darüber hinaus ein Investitionsbedarf, wenn Kapazitäten gebündelt, umgewidmet oder geschlossen werden sollen.
Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2023“ ist eine Stichprobe von 521 Jahresabschlüssen von Krankenhäusern aus dem Jahr 2020 und 525 aus dem Jahr 2021. Sie umfassen insgesamt 976 Krankenhäuser. Für das Jahr 2022 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor. Der gesamte Report inklusive E-Book kann hier bestellt werden.
RWI/gnj