Insel schreibt Rekordverlust, ist aber zuversichtlich
Insel schreibt Rekordverlust, ist aber zuversichtlich info@medinside.ch (em)
Die Insel-Gruppe hat letztes Jahr einen Verlust von 112,7 Millionen Franken gemacht - ein Rekordwert. Die Verantwortlichen begründen in einer Mitteilung das schlechte Abschneiden: Die gestiegenen Stromkosten (+240 Prozent), die allgemeine Teuerung (rund 2 Prozent) und höhere Löhne (2,5 Prozent) seien verantwortlich für Mehrkosten von mehr als 50 Millionen Franken.
Weniger Patienten, schwere Fälle
Diese Mehrkosten hätten nur teilweise mit Mehrerträgen kompensiert werden können. Denn auch die Patientenzahlen waren rückläufig: So wurden letztes Jahr gut 4 Prozent weniger Patienten stationär behandelt, nämlich 57'000. Um gut 3 Prozent gingen die ambulanten Konsultationen auf 900'000 zurück.
Gleichzeitig stieg auch der Schweregrad der Behandlungen (Case Mix Index) von 1,394 auf 1,425. Die Die Ebitda-Marge, die bei Spitälern eigentlich zehn Prozent betragen sollte, ist ins Minus gerutscht und beträgt -0,5 Prozent.
«Gut aufgestellt»
Bernhard Pulver, Verwaltungsratspräsident der Insel-Gruppe zeigt sich vom Riesendefizit nicht stark beunruhigt. «Die ökonomische Situation bleibt weiterhin herausfordernd. Mit den getätigten Investitionen sind wir aber gut aufgestellt und blicken optimistisch in die Zukunft», sagt er laut der Insel-Mitteilung.
Medinside hat zwei Experten gefragt, ob dieser Optimismus gerechtfertigt sei und entscheidende Fragen zur Zukunft des Inselspitals gestellt.
Wer muss geradestehen?
Eine wichtige Frage lautet, wer verantwortlich ist für das finanzielle Debakel. Der Gesundheitsökonom Heinz Locher sagt: «Der Kanton hat der Inselspital-Stiftung eine grosse Selbständigkeit und Unabhängigkeit eingeräumt. Dies bedeutet für die aktuelle Situation, dass der Verwaltungsrat der Inselspital-Stiftung für die Meisterung der Situation verantwortlich ist.» Ansonsten dürfte schnell die Forderung kommen, dass das Inselspital mehr Aufsicht des Kantons brauche.
Locher räumt jedoch auch ein: «Ein erheblicher Teil der zutage getretenen Probleme ist marktbezogen und struktureller Art.» Mit anderen Worten: Die Spitäler verdienen zu wenig. Doch, so Locher weiter: «Trotzdem muss der Verwaltungsrat auch selber Lösungen auf unternehmerischer Ebene finden. Die neuen Schlüsselworte seien «Verzichtsplanung» und «intelligenter Umgang mit knappen Ressourcen.»
Könnte das Inselspital Konkurs gehen?
Wohl kaum. Der Gesundheitsrechtsexperte Bernhard Rütsche sagte letztes Jahr in einem Interview, dass die Kantone zwar nicht nach eigenen Prioritäten und Bedürfnissen einzelnen Spitälern finanziell aus der Patsche helfen dürfen.
Doch wenn ein Spital notwendig ist, um den Versorgungsbedarf des Kantons abzudecken, sind Subventionen erlaubt. Allerdings dürfen mit diesem Geld keine zu hohen Personaldotationen, überteuerte Medizinaltechnik, nicht ausgelastete Bettenkapazitäten oder luxuriöse Einrichtungen aufrechterhalten werden.
Für Rütsche ist auch denkbar, dass ein insolventes Spital finanziell und organisatorisch restrukturiert werden muss. Das heisst: Neue Führungs- und Managementstrukturen; eventuell auch eine Schliessung oder Abspaltung strukturell defizitärer Bereiche und eine Konzentration auf die rentablen Geschäftsbereiche.
Kanton kann einspringen
Erst vor fünf Tagen gab der Kanton bekannt, einen Rettungsschirm für verschuldete Spitäler aufzuspannen. Das Parlament soll 100 Millionen Franken sprechen, um Listenspitälern Kredite und Bürgschaften zu gewähren. Das Geld soll helfen, im Notfall die Zahlungsfähigkeit der Spitäler zu sichern. So könnte der Kanton auch dem Inselspital zu Hilfe kommen.
Treten die Chefs zurück?
Eher nicht. Die Verantwortlichen, Verwaltungsratspräsident Bernhard Pulver, und Direktionspräsident Uwe E. Jocham, sind erst morgen Donnerstag auf Anmeldung telefonisch für die Medien zu sprechen. Doch in der Medienmitteilung deutet nichts auf personelle Konsequenzen hin.
Dass Spitalverantwortliche als Folge eines Finanzdebakels zurücktreten, kam aber zum Beispiel letztes Jahr vor. Im Kantonsspital Aarau (KSA) traten vier der sieben Verwaltungsräte auf zurück, darunter der Verwaltungsratspräsident Peter Suter und Vizepräsident Felix Schönle. Dem KSA hätte der Konkurs gedroht, wenn der Kanton nicht 240 Millionen Franken eingeschossen hätte.
Vor zwei Jahren noch blendend gut
Noch vor zwei Jahren stellte sich die Insel in blendender Verfassung dar: Der gut gelaunte Insel-Direktionspräsident Uwe E. Jocham verkündete auf der Panoramaterrasse des Bettenhochhauses, dass es der Insel-Gruppe so gut gehe, wie lang nicht mehr: Die damals noch sechs Spitalstandorte machten einen Gewinn von gut 6 Millionen Franken. Der gesamte Konzern erzielte sogar einen Gewinn von 25 Millionen Franken.
Dann 80 Millionen Verlust
Vor einem Jahr dann die Hiobsbotschaft: Die Insel Gruppe verlor in einem Jahr 80 Millionen Franken. Als Folge davon schloss die Gruppe ihre beiden Spitäler Tiefenau und Münsingen, kündigte Mitarbeitenden und strich Bauvorhaben.
Steht die Insel allein da?
Das Berner Inselspital ist nicht das einzige Universitätsspital in finanziellen Schwierigkeiten. Das zeigen die Abschlüsse vom Vorjahr. Einzig das Basler Universitätsspital machte einen kleinen Gewinn.