Gezerre um die Teledermatologie
Gezerre um die Teledermatologie unknown
Telemedizin in der Dermatologie ist asynchron: Patientinnen und Patienten nehmen Fotos ihrer Hautbefunde auf, schicken sie an eine Teledermatologie-Plattform und lassen sie von Expertin oder Experte befunden, inklusive Therapieempfehlung und wenn nötig Rezept. Abgerechnet wird das in Deutschland bisher entweder privat oder im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung. Beides ist für niedergelassene Hautarztpraxen recht attraktiv. Es wundert daher nicht, dass es etwas kompetitives Gedränge in diesem Markt gibt.
Derma-Plattformen konkurrieren eifrig
Als Platzhirsch gilt der Berufsverband der deutschen Dermatologen e.V. (BVDD), der schon recht früh die Zeichen der Zeit erkannt und eine Kooperation mit der Schweizer Telemedizin-Plattform OnlineDoctor in die Wege geleitet hat. Die Schweizer gründeten ein deutsches Tochterunternehmen. BVDD-Mitglieder können sich seither dort listen lassen und Direct-to-Patient-Telekonsultationen anbieten. Kooperationen im Sinne von IV-Verträgen existieren nach Angaben von OnlineDoctor mit rund 60 Prozent der Krankenkassen in Deutschland. In Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen sind über 650 Dermatolog:innen über die Plattform erreichbar. In den meisten Fällen suchen sich Patientinnen und Patienten eine Praxis in räumlicher Nähe, die dann, wenn nötig, auch einen Vor-Ort-Termin bieten kann. Es gibt aber auch die komplette Fernversorgung, und das E-Rezept wird das alles in naher Zukunft weiter erleichtern.
Durch die Anbindung an den Berufsverband erhält OnlineDoctor eine Art inoffizielles Gütesiegel, was aber nicht heißt, dass es die einzige derartige Plattform ist. Recht neu ist das Hamburger Unternehmen Doctorderma, das seine Plattform im November 2022 gelauncht hat. Es werden von den Patient:innen drei Fotos hochgeladen, und innerhalb maximal 24 Stunden kommt eine Antwort. Es gibt außerdem eine Chat-Funktion mit den behandelnden Ärzt:innen, und wie OnlineDoctor experimentiert auch Doctorderma mit einer Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI).
Antrag auf Einstweilige Verfügung scheitert
Ein weiterer Anbieter im Bunde ist Dermanostic, nach eigenen Angaben Europas führende Online-Hautarztpraxis. Dermanostic und der BVDD sind zuletzt aneinandergeraten. Der Streit hat in der vergangenen Woche das Landgericht Berlin beschäftigt. Los ging die ganze Sache nach Angaben des BVDD mit E-Mails von Dermanostic an BVDD-Mitglieder, sprich Hautarztpraxen, in denen die Düsseldorfer für die Teilnahme an ihrem Netzwerk geworben haben. Das führte zu einem Sonderrundbrief des BVDD am 7. März, in dem der Verbandsvorstand den rund 3500 Mitgliedern des Verbands von einer Zusammenarbeit mit Dermanostic abriet. Die Sache landet daraufhin im Handelsblatt, das mit „Verband bremst Start-ups aus“ titelte.
Dermanostic-Mitgründerin Alice Martin hatte damals gegenüber dem Handelsblatt angekündigt, juristische Schritte zu prüfen. Dies geschah dann auch. Dermanostic ließ den Verband abmahnen und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Der BVDD schaltete seinerseits eine Kanzlei ein. Dermanostic reichte schließlich beim Landgericht Berlin einen Antrag auf Einstweilige Verfügung ein, mit der dem Verband einige Äußerungen aus dem Sonderrundbrief im Eilverfahren untersagt werden sollten. Am 3. April wurde dieser Antrag nun vom Gericht ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Der Beschluss ist derzeit beim Landgericht noch nicht online. Der BVDD zitiert allerdings in einer Pressemeldung daraus. Die zitierten Passagen lassen den Rückschluss zu, dass Äußerungen des Verbands zum Geschäftsmodell sowie zur Qualität des Angebots von Dermanostic als Meinungsäußerungen in die entsprechenden grundgesetzlichen Schutzbereiche fallen.
Das Ganze ist für die Telemedizin insgesamt eher unerfreulich. Berufsverbände wie der BVDD gehören in Deutschland nicht zu denen, die Telemedizin ausbremsen. Sie sind eher Treiber und helfen damit nicht zuletzt Start-ups, wie das OnlineDoctor-Beispiel zeigt. Es gibt auch andere Berufsverbände mit telemedizinischen Aktivitäten, etwa der Berufsverband Niedergelassener Kardiologen e.V., um nur ein Beispiel zu nennen. Immer dann, wenn sich Berufsverbände bei kommerziellen Angeboten engagieren, stellen sich auch wettbewerbsrechtliche Fragen, über die am Ende Gerichte entscheiden müssen.
Weitere Informationen:
Telemedizinanbieter OnlineDoctor https://www.onlinedoctor.de/ueber-uns/
Telemedizinanbieter Doctorderma https://doctorderma.de/
Telemedizinanbieter Dermanostic https://dermanostic.com/
Pressemeldung des BVDD zum Urteil des Landgerichts Berlin