3 min read

Französischer Hersteller will expandieren: Telemedizin-Kabinen bald auch in deutschen Apotheken?

Französischer Hersteller will expandieren: Telemedizin-Kabinen bald auch in deutschen Apotheken? unknown

Ein Video des französischen Senders „France 2“ zeigt, wie die Videokonsultation in einer Kabine von Tessan abläuft. Ein Mann sucht spontan die Apotheke auf und bittet darum, die Kabine nutzen zu können. Dann wird er kurz in die Nutzung eingewiesen. Die Konsultation wird freigeschaltet, nachdem der Mann seine Versichertenkarte eingescannt hat und die Kabine wird schall- und blickdicht verschlossen. Nach einer kurzen Wartezeit erscheint ein freier Arzt auf dem Bildschirm und führt den Patienten durch die Konsultation. Dabei leitet er ihn dazu an, sich selbst zu untersuchen – die Kabine ist mit einem digitalen Fieberthermometer, Dermatoskop, Stethoskop, Otoskop und einem Oximeter zur Bestimmung der Sauerstoffsättigung im Blut ausgestattet.

Jeder ermittelte Messwert wird dabei direkt digital an den Arzt übermittelt. Nach Abschluss der Konsultation kann dieser ein elektronisches Rezept für ein Medikament ausstellten und entscheiden, ob zusätzlich noch ein echter Arztbesuch erforderlich ist oder nicht.

Service ist für Patienten meist kostenlos

Tessan hat in Frankreich bereits rund 800 solcher Telemedizin-Kabinen aufgestellt, Medadom etwa 4.000 ähnliche Kabinen. Sie befinden sich vor allem im dünnbesiedelten Raum, wo es auch in Frankreich an Ärzten mangelt, und sollen so eine Versorgungslücke schießen. Für die Patienten ist die Konsultation in der Regel kostenlos: Die 25 Euro, die dafür anfallen, werden von der Basisversicherung und der Zusatzversicherung abgedeckt, über die die meisten Franzosen verfügen. Apotheker hingegen zahlen zum Beispiel für die Miete einer Tessan-Kabine rund 500 Euro pro Monat. Welche Einnahmemöglichkeiten bieten sich ihnen und wie gut wird das Angebot überhaupt angenommen?

Gegenüber der französischen Apothekerzeitung „Le Moniteur des pharmacies” berichtet der Pariser Apotheker Stéphane Mangin, dass seine Telemedizin-Kabine von Medadom im vergangenen Jahr für gut 1.000 Telekonsultationen genutzt wurde. Ein ganzer Raum sei in seiner Apotheke den Konsultationen gewidmet: Er habe wegen der hohen Nachfrage zwei Stühle für Wartende vor der Kabine aufgestellt – ganz so wie in einem Wartezimmer in der Arztpraxis. Derzeit würden fünf bis sechs Konsultationen pro Tag in Anspruch genommen. „Ich profitiere dabei von einer Reihe Rezepte von einer Klientel, die ohne Telekonsultation niemals die Tür zu meiner Apotheke geöffnet hätte“, so Mangin. Er schätzt, dass 40 Prozent der Kunden, die zur Telekonsultation kommen, keine Stammkunden sind. Durchschnittlich sollen Apotheken mit Telemedizin-Kabinen etwa 50 Konsultationen pro Monat durchführen, schreibt „Le Moniteur des pharmacies”.

Finanzielle Anreize für Apotheken

Neben zusätzlichen Kunden durch die Kabinen gibt es in Frankreich noch weitere finanzielle Anreize für Apotheken: So wird die Installation einer Telekabine in Frankreich im ersten Jahr bezuschusst. Laut der französischen Krankenversicherung „Assurance maladie“ erhalten die Apotheken im ersten Jahr 1.250 Euro.

Zusätzlich erhalten sie 1 Euro pro Konsultation und eine weitere gestaffelte Vergütung, die sich an der Anzahl der Konsultationen ausrichtet und maximal 750 Euro pro Jahr beträgt. Diese fällt bei einer geringen Zahl von Konsultationen höher aus: Kommt nur ein Patient pro Woche, um die Kabine zu nutzen, liegt sie bei 5,30 Euro, sind es vier Patienten pro Tag oder mehr, nur noch bei etwa 1 Euro.

Kabinen-Hersteller warten auf das E-Rezept

Wie genau ein Finanzierungsmodell in Deutschland aussehen soll, ist derzeit noch unklar. Tessan wartet offenbar mit der Expansion nach Deutschland bewusst ab, bis das E-Rezept flächendeckend eingeführt wird. Erst dann, glaubt der Anbieter laut „Handelsblatt Inside“, könnte seine Telekabine für deutsche Apotheken interessant werden.

Vielleicht ist die Telemedizinkabine aber auch gar nicht die optimale Lösung für deutsche Apotheken. So sieht der Referentenentwurf für das Digitalgesetz nicht nur vor, dass Apotheken Versicherte bei der Nutzung ambulanter telemedizinischer Leistungen unterstützen und anleiten sollen, sondern die Apotheker sollen auch einfache medizinische Routineaufgaben im Rahmen einer telemedizinischen Leistung – also etwa einer Videosprechstunde – selbst erbringen können. Die vollausgestatteten Telemedizin-Kabinen sehen das eigentlich nicht vor. Vielmehr sollen darin die Patienten ihren Blutdruck selber messen oder sich selbst abhören. Apotheken, die auf eine solche Komplettlösung setzen, könnten dann also möglicherweise eine Einnahmequelle verlieren.

ABDA: Noch viele Fragen offen

Details zum Angebot von Telemedizin in der Apotheke und der Vergütung sollen der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband vereinbaren. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) teilte auf Nachfrage der DAZ mit, sie halte es „grundsätzlich für richtig“, dass das Bundesgesundheitsministerium telemedizinische Angebote vorsehe und dafür rechtliche Rahmenbedingungen schaffen wolle. Die Überlegungen befänden sich aber in einem sehr frühen Stadium: „Viele Fragen zur konkreten Umsetzung sind noch offen“, so ein Sprecher der ABDA.