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Forschungsprojekt: So smart könnten die Intensivstationen der Zukunft werden

Forschungsprojekt: So smart könnten die Intensivstationen der Zukunft werden unknown

Digital, sicher und herstellerübergreifend vernetzt. So könnte die Zukunft der Intensivstation aussehen. In dem Forschungsprojekt „Smart and Silent ICU“ soll der klinische Nutzen interoperabel vernetzter Medizintechnik und der Anbindung von KI-Modulen untersucht werden. 

Beteiligt ist unter anderem der deutsche MedTech-Hersteller Dräger. Mit ingesamt 18 Millionen Euro wurde das Projekt  von der Innovative Health Initiative (IHI) nun gefördert. Weitere Beteiligte sind Ascom, ein Anbieter mobiler Workflow-Lösungen und BetterCare, ein Hersteller von Lösungen für das Management klinischer Daten sowie medizinisch-wissenschaftliche Einrichtungen in Europa. Insgesamt laufen vier Studienprojekte über einen Zeitraum von drei Jahren. 

 

Dies ermöglicht zukunftsweisende Anwendungen für die klinische Praxis, wie zum Beispiel eine KI-basierte klinische Entscheidungsunterstützung.

 

„Wir freuen uns über die Förderung des IHI und sehen dadurch den Bedarf an datengesteuerter Therapieunterstützung in der Akutversorgung bestätigt“, sagt Michael Wilkening, Strategie und Geschäftsentwicklung Medizintechnik bei Dräger. Die klinischen Anwendungsfälle des „Smart and Silent ICU“-Projekts würden verdeutlichen, wie wichtig internationale Standards wie die SDC für den sicheren Austausch und die Nutzung von Daten zwischen unterschiedlichen medizinischen Geräten und IT-Systemen sind. „Dies ermöglicht zukunftsweisende Anwendungen für die klinische Praxis, wie zum Beispiel eine KI-basierte klinische Entscheidungsunterstützung“, so Wilkening.

Alarmbelastung analysieren und reduzieren

Bis zu 95 Prozent der Alarme auf Intensivstationen sind klinisch relevant. Viele können Stress und Alarmmüdigkeit sowohl beim Personal auch beim Patienten verursachen, was vor allem die Gesundheit von Intensivpatienten beeinträchtigen und zu längeren Liegezeiten führen kann. Das Forschungsprojekt setzt an mehreren Punkten an. Im Mittelpunkt steht eine Systemarchitektur auf Basis der ISO/IEEE 11073 SDC-Norm (Service-oriented Device Connectivity), mit deren Hilfe sich Alarme analysieren lassen und die Alarmbelastung reduziert werden kann. Im klinischen Praxisalltag sollen diese Eigenschaften nun untersucht werden. 

SDC-Standart

Medizinische Geräte und Krankenhaus-IT müssen herstellerunabhängig in einer offenen, sicheren Netzinfrastruktur klinsiche Daten empfangen oder senden können, unabhängig vom Hersteller. Dies ermöglich die von der Non-Profit-Organisation OR.NET entwickelte SDC-Infrastruktur, die kompatibel ist zum weit verbreiteten Klinikstandart HL7. 

SDC ist eine service-orientierte Kommunikationsarchitektur, die sowohl die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Geräte am Point-of-Care als auch den Datenaustausch zwischen Point-of-Care-Geräten und HL7-kompatiblen klinischen wie auch Krankenhaus-Informationssystemen ermöglicht. Somit kann die verbundene Krankenhaustechnik ihre Daten und Informationen bidirektional, sicher und dynamisch austauschen.

Handlungsunterstützung mittels KI

Ein weiterer Punkt zielt auf gesundheitliche Veränderungen von Intensivpatienten ab, die nur schwer zu prognostizieren sind. Eine auf Grundlage von SDC errichtete Systemarchitektur ermöglicht es, Daten aus verschiedenen Geräten und Systemen zentral zusammenzuführen und analysierbar zu machen. KI-Anwendungen können aus diesen Informationen Muster entwickeln. Untersuchungen sollen dann belegen, inwieweit klinisches Personal Veränderungen dadurch früher erkennen und Unterstützung bei therapeutischen Entscheidungen erhalten kann. 

Vier europäische Unikliniken beteiligt

Zwei Anwendungsstudien in den Niederlanden fokussieren sich auf das Reduzieren unnötiger Alarme auf der Intensivstation auf Basis von SDC. Am Erasmus Medical Center Rotterdam wird der Einfluss auf den Heilungsprozess untersucht, wenn Alarme am Krankenbett stummgeschaltet und sicher verteilt werden können, um so eine ruhigere Umgebung für den Patienten zu ermöglichen. Am Universitair Medisch Centrum, Utrecht untersuchen Pflegekräfte und Intensivmediziner in einer simulierten Studie den Einsatz von Algorithmen zur Bewertung klinischer Alarme auf Basis der klinischen Patientendaten. Mit Hilfe der entwickelten Regeln könnten zukünftig unnötige Alarme besser ermittelt und gegebenenfalls unterdrückt werden.

Zwei weitere Forschungsvorhaben in Österreich und Spanien konzentrieren sich auf die Möglichkeiten des SDC-Standards, KI-Anwendungen zu unterstützen. An der Medizinischen Universität Wien entwickelt und validiert eine Forschergruppe funktionale Algorithmen, die den Zustand von Intensivpatienten in Echtzeit analysieren und PICS (Post Intensive Care Syndrom)-Indikatoren in einem Frühstadium erkennen können. Das Früherkennungs-Tool soll Ärzte mit Empfehlungen und Vorhersagen dabei unterstützen, Therapieentscheidungen besser und früher treffen zu können. 

Am Hospital Clínic Barcelona und der Universitat Politècnica de Catalunya, Barcelona steht die Analyse der Herz-Lungen-Interaktion im Mittelpunkt. In diesem Kooperationsprojekt werden Algorithmen entwickelt und klinisch validiert, mit denen negative Gesundheitsentwicklungen und bestimmte Syndrome früh erkannt und angezeigt werden.
 

Dräger/hgl