Eine hybride ambulante Versorgung als Ziel
Eine hybride ambulante Versorgung als Ziel (Susanne Ehneß)
Doktor.de will die klassische ambulante Versorgung mit digitalen Angeboten verzahnen. Dazu hat das Tochterunternehmen der schwedischen Doktor.se-Gruppe die ersten vier Arztpraxen in Berlin übernommen. Geschäftsführerin Susanne Kreimer erläutert die dahinterstehende Vision.
Doktor.de übernimmt vier Hausarztpraxen in Berlin. Sind dies die ersten Praxen, die übernommen wurden?
Kreimer: Bisher haben wir vier Praxen in und um Berlin übernommen, die wir nun schrittweise unter Einbezug aller Mitarbeitenden und vor allem der abgebenden Ärzte und Ärztinnen in unser hybrides Konzept integrieren. Weitere Kaufverträge wurden bereits für Praxen in Berlin und Hannover abgeschlossen. Auch und vor allem kommen Praxen von Abgebern, die keine Nachfolger für die Praxisübernahme gefunden haben oder von Abgebern, die mit den dauernden bürokratischen und technischen Änderungen überfordert waren und einen Partner an ihrer Seite gesucht haben, um sich selbst wieder hauptsächlich um die Patientenversorgung zu kümmern.
Deutschlandweit sind zahlreiche hausärztliche Arztsitze mittlerweile unbesetzt, für bestehende Praxen fehlen Nachfolger. Im Saarland etwa sind es derzeit 81, so der aktuelle Versorgungsbericht der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung. In Sachsen-Anhalt sind es 267. Betroffen sind längst nicht mehr nur ländliche Gebiete, sondern auch die Randgebiete in Ballungszentren wie Berlin, Hamburg oder München. Diese Lücken wollen wir füllen, indem wir ein hybrides medizinisches Modell mit hoher Qualität und guten Arbeitsbedingungen für jung Ärzt:innen anbieten, um auch weniger attraktive Lagen dadurch attraktiv zu machen.
Welche Anreize bieten Sie Ärzten, ihre Praxen an Doktor.de zu veräußern, anstatt sie an Nachfolger zu übergeben?
Kreimer: Die bisherigen Praxiseigentümer können weiterhin in ihrer Praxis mit ihren Patienten und ihren Mitarbeitern arbeiten, solange sie wünschen und Lust haben. Zudem haben sie die Möglichkeit, an einem innovativen Konzept mitzuwirken. So eröffnen sich neue und vielleicht auch im höheren Alter erfrischende Perspektiven. Es ist eine tolle Möglichkeit, den eigenen Ausstieg schrittweise nach den eigenen Wünschen, Kapazitäten und zeitlichen Vorstellungen zu gestalten. Es entfällt die Notwendigkeit, die jahrzehntelange Tätigkeit von heute auf morgen zu beenden und bietet eine Möglichkeit, die Versorgung des eigenen Patientenstamms weiterhin zu verfolgen und die ärztlichen Nachfolger einzuarbeiten.
Allerdings haben wir gerade im hausärztlichen Bereich bisher unglaublich viele Ärzte kennengelernt, die vergeblich Nachfolger für die Praxisübernahme suchen und niemanden finden. Sie stehen vor der Entscheidung, irgendwann die Praxis ohne eine gesicherte zukünftige Versorgung des Patientenstamms einfach zu schließen. Bis 2035 werden altersbedingt ca. 30.000 Hausärzte ausscheiden. Bereits 2020 waren von allen Hausärzten in Deutschland knapp 40 Prozent über 60 Jahre alt. 11.000 Hausärzte werden fehlen und circa 40 Prozent aller Landkreise unterversorgt sein. Das liegt daran, dass sich weniger Ärzte dafür entscheiden, sich als Hausarzt niederzulassen, aber auch, weil die neuen Generationen Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle favorisieren und eine eigene Praxis dazu nicht passt.
Wie läuft eine Praxisübernahme durch Doktor.de konkret ab?
Kreimer: Die Übernahme erfolgt schrittweise: Es wird ein sanfter Übergang angestrebt, da wir die Kompetenzen, die Routine, das Miteinander und das Vertrauen, welches sowohl von Mitarbeitenden als auch Patienten gegenüber der Praxis und der ehemaligen Praxisinhabenden existiert, nicht ändern möchten. Das war bisher das Erfolgsrezept der Praxis und soll es daher bleiben.
Zunächst lernen wir den Abgeber oder die Abgeberin kennen und sie oder er lernt natürlich uns und unser Konzept der hybriden Medizin der Zukunft kennen. Wenn sich beide Seiten für ein zukünftiges Miteinander entscheiden, gehen wir die nächsten Schritte. Die bisherigen Eigentümer geben dann nach vielen juristischen und formalen Schritten ihre Praxis an uns ab und arbeiten zukünftig als angestellte Mediziner in ihrer Praxis. Auf diese Weise sind zwei wichtige Aspekte gesichert: die Erfahrung und Kompetenz der abgebenden Ärzte sowie natürlich das Weiterbestehen der Praxis.
Anschließend wird mit allen in der Praxis tätigen Mitarbeiter:innen – Ärzte und MFA (Medizinische Fachangestellte) – die schrittweise Entwicklung in Richtung einer modern(er)en Praxis für die hybride Versorgung ausgearbeitet. Zu dieser Entwicklung gehören:
- Neue, junge Ärzte, die von erfahrenen Medizinern angeleitet und unterstützt werden, eine hochwertige allgemeinmedizinische Versorgung in den Praxen zu gewährleisten und den Patienten die bekannte medizinische Versorgung zu garantieren;
- neue Technologien, beispielsweise ein für alle Praxen von Doktor.de einheitliches Dokumentationssystem und alle digitalen Werkzeuge von Doktor.de, die in der ambulanten Medizin zum Einsatz kommen können und von den Fachkräften und Patienten als sinnvoll und hilfreich empfunden werden;
- neue Prozesse, zum Beispiel die schon heute im Einsatz befindliche appbasierte Lösung von Doktor.de für Patienten zur Unterstützung des Erstkontakts auf dem Weg zu einer ärztlichen Konsultation.
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Stand vom 30.10.2020
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