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Drei Trends für die digitale Transformation des Gesundheitswesens

Drei Trends für die digitale Transformation des Gesundheitswesens unknown

14.06.2023                Ein Gastbeitrag von Jesse Cugliotta             Lesedauer: 6 min

Die Auswertung großer Datenmengen birgt viel Potenzial für den Healthcare-Bereich: Unser Gastautor zeigt auf, welche Möglichkeiten sich durch die Einbindung zusätzlicher externer Daten und die Auswertung unstrukturierter Daten ergeben – für die Behandlung, aber auch für die klinische Forschung.

Der größere Kontext, der sich durch Einbindung externer Daten ergibt, kann zur Auswahl  individueller und ressourcenschonender Behandlungsmethoden genutzt werden
Der größere Kontext, der sich durch Einbindung externer Daten ergibt, kann zur Auswahl individueller und ressourcenschonender Behandlungsmethoden genutzt werden

(© chiew – stock.adobe.com)

Während Branchen wie Maschinenbau und Einzelhandel bereits seit Langem massiv auf die Auswertung großer Datenmengen setzen, um konkurrenzfähig bleiben zu können, hinken andere Bereiche hinterher. Ganz besonders ist das beim deutschen Gesundheitswesen der Fall, wie eine Bitkom-Studie nahelegt: Hier gab mit 78 Prozent der Großteil der Ärzt:innen an, dass es Deutschland nicht gelinge, im internationalen Vergleich mitzuhalten.

Dabei ist die Anwendung moderner Technologien längst gewünscht, wie die Ergebnisse weiterhin belegen. So kommt Virtual Reality, um zum Beispiel den Ablauf einer OP zu trainieren, erst bei acht Prozent der Kliniken zum Einsatz, dabei geben fast zwei Drittel der Befragten an, dies als sinnvoll zu erachten. Ähnliches gilt für den Einsatz Künstlicher Intelligenz: 54 Prozent der Ärzt:innen wünschen sich, etwa Röntgen- oder MRT-Bilder mithilfe der neuen Technologie schneller und präziser auswerten zu können, aber bis heute ist dies nicht einmal in einem von zehn Krankenhäusern möglich. Diese Ergebnisse werden auch durch eine von Snowflake durchgeführte Studie gestützt, in der fast die Hälfte (48 Prozent) der Befragten angab, dass ein großer Bedarf an der Entwicklung digitaler Anwendungen für Patienten bestehe, dicht gefolgt von der Nutzung unstrukturierter Daten.

Wo Theorie und Praxis auseinanderklaffen

Medizinisches Fachpersonal ist sich der zahlreichen Vorteile, die neue, digitale Methoden für ihre tägliche Arbeit bedeuten würden, also längst bewusst. Schon kleinste Veränderungen wie beispielsweise die Einführung von Video-Sprechstunden oder digitalen Fragebögen hätten das Potenzial, sie massiv zu entlasten und den Patient:innen darüber hinaus eine schnellere Behandlung zu ermöglichen. Und es gibt gute Nachrichten: Die technologische Grundlage, die notwendig ist, um den Rückstand aufzuholen, ist bereits verfügbar und wartet bloß darauf, in Praxen und Kliniken zum Einsatz zu kommen.

Dass im Gesundheitswesen generell weniger Zeit und Geld in den Aufbau effizienter Dateninfrastrukturen gelegt wurde, ist historisch bedingt. Für Ärzt:innen und Pfleger:innen steht das Wohl ihrer Patient:innen seit jeher an oberster Stelle, deshalb wurde die digitale Transformation im Vergleich zu anderen Branchen nicht priorisiert. Dieses Versäumnis fällt allen Beteiligten nun umso schwerwiegender auf die Füße, denn tatsächlich ist der Mehrwert, den die effiziente Speicherung und Auswertung großer Datenmengen bewirken kann, enorm. Das Gute: Auch jene, die für die Freigabe finanzieller Mittel verantwortlich sind, haben endlich begriffen, dass kein Weg an einer digitalen Transformation vorbeiführt. Dabei werden vor allem drei Trends eine wichtige Rolle spielen:

1. Nachhaltige Behandlungsstrategien dank zusätzlicher Datenquellen

Es gibt Statistiken, die besagen, dass rund 80 Prozent der Gesundheit eines Menschen durch nicht-medizinische Faktoren bestimmt werden. Dazu gehören zum Beispiel das Konsumverhalten genauso wie das Umfeld, in dem diese Person lebt. Wie gut ist die Luftqualität in der jeweiligen Nachbarschaft? Wie viel Stress ist sie dort täglich ausgesetzt? Und wie weit sind Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten entfernt, die eine bessere gesunde Ernährung ermöglichen? All diese externen Informationen spielen für medizinisches Personal eine zentrale Rolle, wenn über die besten Behandlungsmöglichkeiten entschieden werden soll.

Durch das Einbeziehen solcher zusätzlicher Datenquellen wird es in Zukunft möglich sein, individuellere Behandlungsstrategien zu erarbeiten. Wie genau das aussehen kann, wird anhand eines simplen Beispiels deutlich: Während eine Person sich nach einem Beinbruch am besten im Kreis ihrer Familie erholt, könnte bei einer anderen das genaue Gegenteil der Fall sein. Weil sie vielleicht weder über eine barrierefreie Wohnung noch über Angehörige, die ihr im Alltag zur Hand gehen können, verfügt, macht es für sie mehr Sinn, in einer speziellen Einrichtung zu genesen. So können nicht nur knappe Ressourcen zielgerichteter zum Einsatz kommen, vor allem die Gesundheit der Patient:innen wird profitieren, da keine One-fits-all-Lösungen mehr nötig sind, sondern jeder Mensch entsprechend seiner einzigartigen Lebenssituation behandelt werden kann.

2. Unstrukturierte Daten werden für klinische Studien nutzbar

Während die technologischen Möglichkeiten heranreifen, ist vor allem ein Interesse an unstrukturierten Daten zu beobachten, das stetig wächst. Diese können zum Beispiel aus medizinischen Berichten oder Röntgenbildern stammen. Mit rund 80 Prozent existiert der Großteil der weltweiten Gesundheitsdaten in diesem Format, das bisher nur schwer zu analysieren war. Die Durchführung fundierter, klinischer Studien – zum Beispiel im Bereich der Krebsfrüherkennung – wurde dadurch unnötig erschwert. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Team aus Forscher:innen hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht-kleinzelligen Lungenkrebs zu untersuchen, und möchte jedes Beispiel identifizieren, bei dem ein solches Karzinom vorliegt. Eine manuelle Prüfung würde jedoch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Aufgrund der Formate, die sich zum Beispiel wegen verschiedener Geräte und Bildausschnitte von Klinik zu Klinik stark unterscheiden können, ist dies sogar nahezu unmöglich. Moderne Technologie ändert das, denn mit ihrer Hilfe wird die automatische Identifizierung wesentlicher Schlüsselelemente selbst bei größten Datensätzen endlich praktisch umsetzbar. Dadurch können Strukturen erkannt werden, die ansonsten in der schieren Informationsflut untergegangen wären.

3. Zukauf externer Daten für den Aufbau resilienterer Lieferketten

Dass die Notwendigkeit resilienter Lieferketten kein Phänomen der Pandemie ist, wird durch den aktuellen Mangel von Schmerzmitteln und Antibiotika deutlich. Auch bei Fiebersäften, Blutdrucksenkern sowie Medikamenten zur Behandlung von Diabetes und Hautkrankheiten kommt es immer wieder zu Knappheiten. Manches ist nur kurzzeitig nicht lieferbar, doch einige Patient:innen warten monatelang auf ihre Medizin. Eine Gruppe deutscher Wissenschaftler:innen wollte dem Problem näher auf den Grund gehen und hat die Gründe für die Lieferengpässe genauer untersucht. Als einer der schwerwiegendsten Gründe wurden Meldeverzögerungen identifiziert. Tatsächlich gaben einige Pharmaunternehmen Engpässe erst Wochen später bekannt, als die Auswirkungen bereits im Markt spürbar wurden. Um langfristig planen und die Versorgung der Patient:innen zu jeder Zeit gewährleisten zu können, sind Informationen wie diese für Praxen und Kliniken unverzichtbar – bestenfalls erreichen sie sie sogar nahezu in Echtzeit. So haben zum Beispiel Apotheken die Chance, die Verfügbarkeit von Medikamenten besser zu überwachen und rechtzeitig nachzubestellen. Außerdem könnten sie aufkommende Trends schon im Vorfeld prognostizieren, sodass bei einer anrollenden Grippewelle alle nötigen Vorkehrungen bereits getroffen sind.

Das Fundament eines modernen Gesundheitswesens

Wie die Snowflake-Studie verdeutlicht, sind große Datenmengen für das Gesundheitssystem unverzichtbar, um Patient:innen auch in Zukunft die bestmögliche Behandlung bieten zu können. Dabei ist zu betonen, dass nicht nur die internen Informationen einer bestimmten medizinischen Einrichtung besser nutzbar gemacht werden müssen – externe Daten miteinzubeziehen, ist mindestens ebenso wichtig, denn nur so können Zusammenhänge bereits frühzeitig erkannt werden. Der größere Kontext, der sich den Ärzt:innen und behandelndem Pflegepersonal dadurch erschließt, ermöglicht individuelle und ressourcenschonende Behandlungsmethoden ebenso wie die erfolgreiche Durchführung klinischer Studien und die Überwachung der Lieferketten.

Wie unsere Umfrage gezeigt hat, rechnen viele medizinische Einrichtungen zwar mit Verbesserungen, aber die begrenzte technologische Grundlage verhindert eine weitere Entwicklung. Dadurch wird vor allem eine intelligentere Entscheidungsfindung behindert. Um dieses Problem zu lösen, ist die Einführung einer einheitlichen Datenplattform unerlässlich. Durch diese wird die interne Datenverarbeitung schneller und verlässlicher, während Informationen auch mit externen Stellen wie Apotheken und Hausärzt:innen ausgetauscht und aus diesen Quellen nahtlos integriert werden können – völlig unabhängig davon, in welchem Format sie vorliegen. Daraus ergibt sich eine Datengrundlage, die allen Beteiligten als sogenannte „Single Source of Truth“ dienen kann und eine rundum bessere medizinische Versorgung ermöglicht.

Der Autor

Jesse Cugliotta, Global Industry GTM Lead für Healthcare & Life Sciences, Snowflake