Digitalstrategie für Gesundheit und Pflege: Lauterbach verspricht den „Turbo-Schub“ für die Digitalisierung
Digitalstrategie für Gesundheit und Pflege: Lauterbach verspricht den „Turbo-Schub“ für die Digitalisierung unknown
Auf dem Weg dorthin hat sich Lauterbach zunächst drei Etappenziele gesetzt: Bis 2025 sollen 80 Prozent der GKV-Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Bis Ende 2025 sollen sodann 80 Prozent der ePA-Nutzer:innen, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen. Und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.
Die Basis für das kommende Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz
Das und mehr ist der jetzt vorgelegten Broschüre zur Digitalisierungsstrategie zu entnehmen. Diese Strategie in Form einer bunten Übersicht mit vielen Grafiken hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) „über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren des Gesundheitswesens entwickelt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zwei konkrete Gesetzesvorhaben sollen dieser Idee folgen: Das Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern soll und unter anderem ePA und E-Rezept adressiert, sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden sollen. Diese Gesetzesvorhaben sind Lauterbach zufolge schon weit fortgeschritten und sollen in den „nächsten Wochen“ als Referentenentwürfe vorgelegt werden. Tatsächlich dürften noch so einige Details zu lösen sein.
ePA: Detailfragen noch offen
So steht zwar schon fest, dass die automatisch für jede:n Versicherte:n angelegte ePA mit Opt-Out-Möglichkeit bis Ende 2024 eingerichtet wird. Wie das Widerrufsverfahren allerdings genau laufen soll, ist noch unklar. „Das werden wir noch entwickeln“, sagte Lauterbach. Wichtig sei, dass es unbürokratisch sei. Ebenfalls ungewiss ist, wie bereits angesammelte Behandlungsdaten von Patienten und Patientinnen in die ePA fließen sollen. Aber darauf legt das BMG auch gar keinen Fokus. Erst einmal gehe es darum, aktuelle Basisdaten einzuspeisen, erklärte Lauterbach. Vor allem zur Medikation, aber auch Krankenhausbefunde. Mit der Zeit sollen Vitalparameter dazu kommen. Ob und wie sodann alte Daten Eingang finden, müsse man noch überlegen. Den Hausärzten allein könne man dies wohl nicht zumuten, meint auch Lauterbach.
E-Rezept: Hoffnung statt harter Termine
Auch sonst bleibt in der Strategie noch vieles vage. Etwa beim E-Rezept. Auf handfeste neue Einführungsdaten legt man sich nicht fest. In der Pressemitteilung des BMG heißt es lediglich: „Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).“ In der Pressekonferenz erklärte Lauterbach auf Nachfrage, dass die Technologie für das E-Rezept schon vorhanden sei – und er „hoffe“, dass es Anfang 2024 in größerem Stil komme. Und so steht es auch unter den „mittelfristigen Maßnahmen“, dass über das E-Rezept Daten für die ePA und den elektronischen Medikationsplan (eMP) bereitgestellt gestellt werden. Ziel ist dabei, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen, indem die Medikation automatisiert geprüft wird.
Telemedizin nutzbar machen
Das Digtialgesetz soll aber auch noch einige andere Regelungen mit sich bringen. Unter anderem soll die Telemedizin weiter nach vorn gebracht und ein niedrigschwelliger Zugang ermöglicht werden. So soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken „assistierte Telemedizin“ angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen. Außerdem soll die 30-Prozent-Limitierung für telemedizinische Leistungen aufgehoben werden (bislang können Ärzte und Ärztinnen sie nur in diesem Umfang abrechnen). Das BMG verspricht: „Bis 2026 gibt es in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Regionen eine Anlaufstelle für assistierte Telemedizin.“
Gematik soll vollständig staatlich werden
Zudem soll die Gesellschaft für Telematik – bislang bekannt als Gematik GmbH – zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die bislang zu 49 Prozent in der Gesellschafterversammlung vertretenen Selbstverwaltungsorganisationen – darunter etwa der Deutsche Apothekerverband – außen vor bleiben. Lauterbach zufolge will man so an Tempo gewinnen und die Handlungsfähigkeit der Gematik stärken. Die Gespräche mit der Selbstverwaltung werde es selbstverständlich weiterhin geben, verspricht der Minister – auch die Digitalstrategie sei schließlich nach sehr intensiven Gesprächen mit dieser entstanden.
Schluss mit Veto-Recht der Datenschützer
Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit Vertretern der obersten Datenschutzbehörden (BfDI, BSI), sowie aus Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll die Digitalagentur künftig bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Ein Veto-Recht der Datenschützer soll es jedoch nicht mehr geben. Lauterbach ist überzeugt, dass sich mit einer solchen Entscheidungsverlagerung auf „breitere Schultern“ Qualität und Zeit gewinnen lässt.