3 min read

Digitalisierung: Leistungserbringer beklagen mangelnde Einbindung

Digitalisierung: Leistungserbringer beklagen mangelnde Einbindung
Digitalisierung: Leistungserbringer beklagen mangelnde Einbindung

Digitalisierung: Leistungserbringer beklagen mangelnde Einbindung

/metamorworks, stock.adobe.com

Berlin – Die ambulanten Leistungserbringer sind aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nicht ausreichend in die Konzeption wichtiger Digitalisierungsprojekte eingebunden. Das kritisierte der Digital-Koordinator der KBV, Nino Mangiapane, gestern beim Nationalen Digital Health Symposium in Berlin.

Es gebe vor allem mit Blick auf die künftige Verschränkung des deutschen Gesundheitswesens mit dem geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) eine Vielzahl von Fragestellungen, zu deren Klärung es einen Beteiligungsprozess brauche, „in den diejenigen einbezogen sind, die tatsächlich versorgen“, sagte er. „Diesen Prozess sehe ich derzeit nicht.“

Dabei seien die Fragestellung durchaus von grundlegender Bedeutung, beispielsweise mit dem Blick auf die Einbindung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den EHDS 1 und den EHDS 2: während der erste Fragestellungen rund um die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger umfasst, regelt der zweite die Sekundärnutzung von Daten für Forschung und Innovation.

„Bei der Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte im Kontext des EHDS muss der Beitrag, den sie für eine unmittelbare Verbesserung der Versorgung leisten kann, konsequent in den Mittelpunkt gestellt werden“, forderte Mangiapane. Es werde eine wichtige Fragestellung sein, wie das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient digital umgesetzt wird.

Hier spiele vor allem das sogenannte feingranulare Zugriffsmanagement eine besondere Rolle, also die Befähigung der Versicherten, detailliert zu entscheiden, welcher Leistungserbringer welche Informationen aus ihrer ePA einsehen kann.

Denn die Implikationen könnten, europaweit betrachtet, mannigfaltig und kaum vorhersehbar sein, mahnte Leonor Heinz, Projektleiterin in der der Koordinierungsstelle der Initiative Deutscher Forschungspraxisnetze (DESAM-ForNet). Ein besonders drastisches Beispiel sei die restriktive Gesetzgebung gegen Schwanger­schaftsabbrüche in Polen. Polnische Patientinnen, die einen solchen Eingriff im Ausland vornehmen lassen, könnten sich schlimmstenfalls in Polen strafbar machen oder andere Konsequenzen zu fürchten haben.

Allerdings sei die Diskussion über solche Themen auf europäischer Ebene sehr langsam und laufe zum Teil im Verborgenen, bemängelte Mangiapane. Eng damit verbunden sind auch Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit – hier kommt besonders Deutschland mit seiner restriktiven Auslegung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine besondere Rolle zu.

Daraus machte auch Michael Heyn, Abteilungsleiter beim Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit (BfDI), mit Blick auf den EHDS-Verordnungsentwurf der EU-Kommission vom Mai keinen Hehl: „Wir bewerten diesen Verordnungsentwurf erst einmal aus datenschutzrechtlicher Sicht und haben da einige Bedenken.“

Es gebe Bestimmungen in diesem Entwurf, die nicht mit deutschem Datenschutzrecht im Einklang stehen. Deutsche Standards dürften bei der Umsetzung des EHDS aber nicht herabgesetzt werden, forderte er. So sei eine allgemeine Opt-out-Lösung bei der ePA „nach unserer Auffassung mit den Grundsätzen der DSGVO nicht vereinbar“, erklärte er.

Die Industrie hingegen wünscht sich einen eher liberalen Umgang mit Gesundheitsdaten. Ein weiteres Ziel des EHDS ist nämlich, einen echten Binnenmarkt für digitale Gesundheitsdienste und -produkte zu fördern.

Dabei wären strukturierte Daten aus ganz Europa wünschenswert, erklärte Pia Meier, Government Affairs Specialist bei der deutschen Tochtergesellschaft des US-Medizintechnikherstellers Medtronic. Es stehe die Frage im Raum, was man realistisch von den Daten erwarten kann und welchen Nutzen der EHDS für die Gesundheitsversorgung haben wird. „Für große versorgungspolitische Fragestellungen brauche ich keine identifizierbaren Daten, da reichen bevölkerungsübergreifende – die müssen dann aber möglichst vollständig sein“, sagte sie.

Um aber Medizin und Medizinprodukte zu entwickeln und weiterzuentwickeln, brauche man nicht nur in Deutschland, sondern ganz Europa einen besseren Datenzugang. Meier erklärte es am Beispiel von Herzschrittmachern: Die restriktive Handhabung der Verfügbarmachung von Daten beeinträchtige deren Weiterentwicklung für die Unternehmen erheblich.

„Wir können aus den Daten ableiten, dass die Geräte an sich funktionieren, aber keinen konkreten medizi­nischen Mehrwert belegen“, monierte sie. Es gehe beim EHDS und der für 2023 geplanten Regulierung durch ein deutsches Gesundheitsdatennutzungsgesetz nicht darum, wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern darum, überhaupt erst wettbewerbsfähig zu werden.

Sie habe sich im Vorfeld innerhalb ihres global agierenden Unternehmens informieren wollen, welche Schwierigkeiten es in aktuellen Projekten bei der Datennutzung zu Forschungszwecken in Europa sieht. Doch es gab solche Projekte nicht, betonte sie. Die Forschung finde in Japan, Singapur und den USA statt, nicht in Europa und schon gar nicht in Deutschland. © lau/aerzteblatt.de

1670431339 Digitalisierung,Telematikinfrastruktur