Das sind die Eckpunkte der Digitalisierungsstrategie
Das sind die Eckpunkte der Digitalisierungsstrategie Folker Lück
Bundesgesundheitsmionister Karl Lauterbach hat die Digitalisierungsstrategie vorgestellt, die unter seiner Ägide umgesetzt werden soll. Das Strategiepapier enthält weit mehr Ansatzpunkte als die Opt-Out-Funktion der elektronischen Patientenakte.
Die Digitalisierungsstrategie hat das Bundesgesundheitsministerium über mehrere Monate gemeinsam mit Akteuren des Gesundheitswesens und Patientenvertretern entwickelt. Sie soll Orientierung dafür bieten, wie sich Versorgungsprozesse, Datennutzung und Technologien bis Ende des Jahrzehnts weiterentwickeln sollen, um Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Mednic dokumentiert nachfolgend die Kernpunkte des Vorhabens.
Digitalgesetz: Bis Ende 2024 soll die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden (Opt-Out). Das bedeutet: Jeder Versicherte, der nicht widerspricht, erhält zukünftig eine ePA.
Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).
Ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln sollen vermieden werden, indem – in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept – die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt wird.
Die Gesellschaft für Telematik (Gematik GmbH) wird zu einer Digitalagentur in hundertprozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt. Die neue Digitalagentur erhält die Verantwortung für die Digitalisierung von Ende-zu-Ende-Prozessen sowie den Auftrag, umfassende Vorgaben zur Interoperabilität verbindlich festzulegen. Das positive Nutzererlebnis von TI-Anwendungen wird zum Zulassungskriterium.
Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit Vertretern von BfDI, BSI, Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI.
Behandlungs-Programme (DMP) sollen um stärker digitalisierte Programme ergänzt werden.
Assistierte Telemedizin soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen.
Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG): Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle wird aufgebaut, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (z.B. Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglicht. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen wird über Forschungspseudonyme ermöglicht. Die Daten bleiben dezentral gespeichert.
Die federführende Datenschutzaufsicht für bundesländerübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten erweitert. Das bedeutet: Die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen erfolgt dann nur noch durch einen Landesdatenschutzbeauftragten.
Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM wird weiterentwickelt: Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können.
Entscheidend für die Anfragen ist der Nutzungszweck, nicht der Absender.
Die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte (ePA) wird vereinfacht, kann nutzerfreundlich in der ePA-App gesteuert werden (Opt-Out). Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.
Weitere Aussagen und Eckpunkte
Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur (TI) und insbesondere der elektronischen Patientenakte (ePA) zu einer individuellen Gesundheitsplattform der Versicherten. Ziel: „Bis zum Jahr 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen.“
Einrichtung eines Kompetenzzentrums „Digitalisierung und Pflege“. Die flächendeckende Etablierung einer digital unterstützten, interoperablen Pflegedokumentation.
Ausbau der Telemedizin, um einen niedrigschwelligen Zugang zu Versorgung zu ermöglichen. Etablierung einer durch Fachpersonal assistierten Telemedizin, die zum Beispiel in Apotheken und Gesundheitskiosken in Anspruch genommen werden kann. Aufhebung der 30-Prozent-Limitierung für telemedizinische Leistungen. Ziel: „Bis 2026 gibt es in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Regionen eine Anlaufstelle für assistierte Telemedizin.“
Digitale Kommunikation wird etabliert
Etablierung von indikationsbezogenen, digital unterstützten und integrierten Versorgungspfaden („digitalisierte Disease-Management-Programme“ – dDMP). Informationsaustausch über sichere digitale Kommunikationskanäle unter Nutzung der TI ausgetauscht. Ziel: „Im Jahr 2026 erfolgen 80 Prozent der Kommunikationsvorgänge im Gesundheits- und Pflegewesen papierlos.“
Stärkung der Forschungsdatenlandschaft mit Gesundheits- und Pflegedaten, indem die derzeitigen Datensilos durch die sukzessive Einführung eines Forschungspseudonyms verknüpfbar gemacht werden. Möglichkeit des Zugangs für jede dem Patienten- und Gemeinwohl dienende Forschung. Das deutsche Gesundheits- und Pflegewesen soll mit dem entstehenden Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) verknüpft werden, um eine gute Versorgung und Forschung auch über Grenzen hinweg zu ermöglichen. Ziel: „Bis Ende des Jahres 2026 werden mindestens 300 Forschungsvorhaben unter Nutzung von Daten aus dem Forschungsdatenzentrum durchgeführt beziehungsweise initiiert.“
bvitg bewertet Ziele verhalten positiv
In einer ersten Stellungname begrüßte der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V., dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nun endlich ein Leitbild erhalten habe. Die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Industrie verspreche einen großen Nutzen für die Versorgung der Patienten, die der Verband befürwortet.
Gleichzeitig kritisierte der Verband, dass zahlreiche Fragen für eine erfolgreiche Transformation weiterhin unbeantwortet sind. So sei weiterhin offen, wie ein niedrigschwelliger Zugang zur ePA-App gelingen und wie die digitale Medikationsübersicht integriert werden soll. Hier bleibe ungeklärt, welchen Mehrwert die Medikationsübersicht haben werde, wenn nicht eine verpflichtende Bereitstellung des Planes an alle verschreibenden Behandelnden geregelt sei. Dies ist unbedingt notwendig, da der Medikationsplan nur so aktuell gehalten und entsprechende Kontraindikationen bei neuen Verschreibungen geprüft werden können.
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