Das Silicon Valley ist schockiert – die kollabierte SVB war ein jahrzehntealter Teil des Startup-Ökosystems
Das Silicon Valley ist schockiert – die kollabierte SVB war ein jahrzehntealter Teil des Startup-Ökosystems unknown
Seit Monaten häufen sich die schlechten Nachrichten für Startups im Silicon Valley. Nun verlieren sie mit der SVB auch noch einen vermeintlich verlässlichen Finanzierungspartner. Betroffen sind nicht nur Jungfirmen in den USA.
Das plötzliche Ende der Silicon Valley Bank kam am Freitag als Schock für viele Startups und Investoren des Silicon Valley. Die SVB, wie sie landläufig heisst, war das finanzielle Rückgrat des Tech-Ökosystems: Die meisten Startups und Wagniskapitalgeber (Venture Capitalists, kurz VCs) des Silicon Valleys haben heute ihre Konten bei dem Traditionshaus.
Eine eigene Erfolgsgeschichte im Silicon Valley
1983 gegründet, war die SVB als eine der ersten Banken bereit, Startups Fremdkapital zu geben und so die Investitionen von Risikokapitalgebern zu ergänzen. Traditionelle Banken schrecken vor Startup-Finanzierungen meist zurück, weil diese oft jahrelang Verluste schreiben. Entsprechend spielte die SVB für das Wachstum vieler Startups gemeinsam mit VCs eine Schlüsselrolle – und auch den Investoren lieh sie Geld. Ihren Fokus legte die Bank dabei auf Firmen aus dem Technologie- und Gesundheitssektor, in ihren ersten Jahren finanzierte sie unter anderem die Telekommunikationsfirma Cisco Systems.
Auch am Tech-Boom der vergangenen Jahre hatte die SVB einen wesentlichen Anteil und profitierte ihrerseits davon. Zuletzt war sie nicht nur die grösste Bank im Silicon Valley, sondern rangierte auf Platz 16 in den USA, mit zahlreichen Niederlassungen weltweit. Noch vor 18 Monaten wurde sie mit 44 Milliarden Dollar bewertet; mehr als die Credit Suisse zurzeit (11 Milliarden Dollar) oder die Deutsche Bank (23 Milliarden Dollar). Am Freitag lag die Bewertung der SVB bei gerade einmal noch 6 Milliarden Dollar.
Die 40 Jahre währenden Geschäftsbeziehungen zwischen der SVB und dem Silicon Valley verpufften am Freitag innerhalb weniger Stunden, als der kalifornische Bankenregulator das Bankhaus unter staatliche Obhut stellte.
«Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ist ein Verlust für die Startup-Community in der Bay Area und weltweit», fasste es Sean Randolph, Vorsitzender des Economic Council der Denkfabrik Bay Area Council, via Email an die NZZ zusammen.
Im Gespräch beklagten am Freitag zahlreiche Investoren das Ende dieser Silicon-Valley-Institution. «Ich war schockiert», sagt der Schweizer Investor Alex Fries, der heute Partner bei Ecosystem Ventures ist und seit vielen Jahren im Technologiemekka lebt – und dessen Startups auch immer wieder mit der SVB Geschäfte machten. «Ich war seit Jahren ein grosser Fan der SVB und ihres Geschäftsmodells.»
«Ihre Dienste und Produkte waren hervorragend, und es schmerzt, dass die SVB aus Gründen, die sich leicht hätten vermeiden lassen, in diese Krise geraten ist», sagt Philipp Stauffer. Der gebürtige Schweizer leitet heute die im Silicon Valley ansässige Wagniskapitalfirma Fyrfly.
Nicht nur Hunderte von Startups, auch Dutzende von Investmentfirmen waren Kunden bei der SVB. Gemäss der Webseite Pitchbook zählten zu den Kunden renommierte Silicon-Valley-Urgesteine wie Andreessen Horrowitz und Kleiner Perkins. Mehrere Investmentfirmen baten ihre Kunden am Freitag, ausstehende Gelder nicht mehr auf das SVB-Konto zu überweisen, berichtete das Nachrichtenportal «The Information».
Cashflow-Probleme für Startups
Besonders hart trifft die Pleite der Bank jedoch die Startups. Am Freitag hat die zuständige Behörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) alle Konten eingefroren. So kommen weder die VCs noch die Startups zurzeit an ihr Geld. Die FDIC ist für die Einlagensicherung verantwortlich – so sind Einlagen im Wert bis zu 250 000 Dollar geschützt. Die meisten Startups haben jedoch ein Vielfaches dieser Summe auf ihren Konten. Wie es für sie weitergeht, ist zurzeit noch unklar. Die grosse Frage ist etwa, wie sie nun die Löhne zahlen sollen, die in den USA zweiwöchentlich überwiesen werden und bei vielen Startups just nächste Woche fällig sind. Sie werden sich um Zwischenfinanzierungen bemühen müssen.
Laut der Aufsichtsbehörde sollen alle SVB-Kunden am Montagmorgen ihre versicherte Summe erhalten. Die genaue Aufteilung der restlichen Aktiva werde jedoch erst in den Wochen danach erfolgen. Startups setzten kurzfristig Krisentelefonate mit ihren Investoren und mit ihren verunsicherten Mitarbeitern an, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Die SVB habe unter Gründern den Ruf gehabt, ein Partner zu sein, «der dich nicht gleich pleite gehen lässt, wenn du mal Probleme hast, eine Rückzahlung zu leisten», sagte Pat Kinsel. Der Chef des Startups Notarize, einer Art digitalem Notariat, hat schon mehrmals mit der SVB zusammengearbeitet, auch bei früheren Startups. Das Ende der SVB bedeute nun, sagte er gegenüber dem Nachrichtenportal «The Information», dass deutlich mehr Startups bei Problemen insolvent gehen dürften, die sonst mit der Hilfe der SVB überlebt hätten.
Die fetten Jahre im Silicon Valley sind vorbei
«Was das für ein Klumpenrisiko für die ganze VC Industrie ist, wenn alle bei der selben Bank sind, ist vielen erst diese Woche bewusst geworden», sagt Sophie Lamparter. Die gebürtige Schweizerin leitet einen Investmentfonds für Early-Stage-Startups zwischen Zürich und San Francisco. «Alle sind am Rotieren. Was die Folgen sind, werden wir erst noch sehen.» Auch sie verbrachte am Freitag Zeit mit ihren Startups am Telefon.
Lamparter weist daraufhin, dass nicht nur Startups in den USA betroffen sind, sondern auch in Europa. «Ich habe grad mit einem unserer britischen Startups gesprochen, die haben ein SVB-Darlehen über ihre britische Bank – auch die wissen noch nicht, wie es weitergeht.» Unsicherheiten seien nie gut im Startup-Geschäft, sagt sie. «Wenn es zu lange dauert, wird das Vertrauen zu den Banken, den Startups und den VCs leiden und es wird das Fundraising für Startups noch schwieriger machen.»
Dieser Kollaps einer Finanzinstitution, die als stabil und verlässlich galt, schicke ein starkes Signal – auch wenn, so glaubt Lamparter, der Kollaps zu grossem Teil psychologisch bedingt war. Wagniskapitalgeber seien im letzten Jahr ohnehin zurückhaltender geworden, Startups kämpften bereits jetzt mit tieferen Bewertungen und erschwerter Finanzierung, hinzu seien in den letzten Monaten die Massenentlassungen im Tech-Sektor gekommen. «Und jetzt kollabiert noch die Silicon Valley Bank.»
Ebenso werden seit Monaten Börsengänge bis auf weiteres aufgeschoben. Die fetten Jahre im Silicon Valley sind erst einmal vorbei – da sind sich die Experten einig.
Das glaubt auch der Investor Stauffer von Fyrefly: «Die Auswirkungen werden weithin spürbar sein, da die SVB nicht nur hier im Silicon Valley eine grosse Rolle im Startup- und Venture Banking spielte, sondern zunehmend auch in anderen internationalen Startup-Zentren.» Der Ökonom Sean Randolph befürchtet ebenfalls schlimme Auswirkungen auf die Startup-Landschaft. «Nun, da der Startup-Boom der vergangenen Jahre sich immer mehr abkühlt, wird der Verlust von SVP die Finanzierung von neuen Unternehmen noch schwieriger machen.»
Der Schweizer Investor Alex Fries hingegen ist überzeugt, dass das Ende der SVB nicht das Ende dieser Art von Startup-Finanzierung sein wird. «Eine andere Bank wird SVB oder das, was von ihr übrig ist, aufkaufen und das Geschäftsmodell fortsetzen.» Schliesslich habe sich dieses jahrzehntelang bewährt.