Bionische Technik exakt analysiert
Bionische Technik exakt analysiert unknown
Um Zukunftsvisionen wie humanoide Roboter mit künstlichen Gelenken und Muskeln zu realisieren, bedarf es komplexer Grundlagenforschung. Am Max-Plank-Institut für intelligente Systeme in Stuttgart hat man sich dieser Forschung verschrieben. Zur präzisen Betrachtung und vielseitigen Analyse dieser komplexen Vorgänge wird eine Phantom Ultra-Highspeed-Kamera eingesetzt.
Um bionischen Gelenken Leben einzuhauchen, werden kleine, mit Flüssigkeit (z. B. Pflanzenöl) gefüllte Kunststoffbeutel, elektrostatisch in Bewegung versetzt. Die Stärke und Form der angelegten elektrischen Spannungen bestimmen die Stärke, Art und Form der Bewegung, um beispielsweise den komplexen mechanischen Vorgang einer menschlichen Hand nachzuahmen. Mehrere Gelenke in beliebigen geometrischen Formen können hintereinander ähnlich einem Finger angeordnet werden. Schließlich ist es ein gewaltiger Unterschied, ein rohes Ei oder ein mehrere Kilogramm schweres Objekt zu bewegen.
Eindeutige Analysen
Die Regelung der angelegten variablen elektrischen Spannung am Aktuator/Gelenk kann in seiner ganzen Vielfalt von Rechtecks-, Dreiecks-, Sinus- und Linearspannung erfolgen. Die zeitlich abhängige Deformation der Beutel kann damit sehr präzise geregelt werden. Mit dieser Bionik erfolgt die Nachahmung der Bewegungen von Insektenbeinen (wie Spinnen) in Geschwindigkeit, Kraft und bidirektionalen Bewegungen. Von noch größerer Bedeutung ist die Nachbildung von menschlichen Extremitäten (Finger, Hände, Arme, Beine). Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart wird seit über einem Jahr am Verstehen dieser vielschichtigen komplexen bionischen Vorgänge in seinen Grundlagen geforscht. Die Forschungsarbeiten sind inzwischen auch unter dem Titel der so genannten SES(Spider-inspired Electrohydraulic Soft-actuated joints)-Gelenke bekannt geworden.
Mit neuester CMOS-Sensor-Technologie liefert die Phantom v2640 Kamera von der High Speed Vision GmbH die erforderlichen Ultra-Highspeed-Bildsequenzen (U-HS) für die genauen Bewegungsanalysen. Damit können quantitativ und qualitativ die Beschleunigung, Geschwindigkeit und das Bewegungsverhalten eines Gelenkarmes – extrem zeitgedehnt mit sehr hoher Bildauflösung – sehr genau verfolgt werden. Mit der gleichzeitigen Verfolgung der geometrischen Verformung dieser Aktuatoren, einschließlich dem darin erfolgenden Fließen der Flüssigkeit (Strömungsverhalten), analysiert das auch viele andere wichtige Aspekte und Funktionsfaktoren. Die Ultra-Highspeed-Videosequenzen ermöglichen eine detaillierte Bild zu Bild Analyse bei Dehnungsraten bis zu 7.000 %/s. Arbeitsbereiche über 100.000 Bilder/s, welches einer Schrittweite von 0,01 Millisekunden entspricht. Diese werden zeitsynchron zu anderen Messdaten erfasst.
Logische Vorgänge im Bereich von Millisekunden werden sehr exakt komplett aufgezeichnet, um daraus präzise Aussagen zu extrahieren. Orientierungsgröße ist beispielsweise ein Beutel von 1 cm Länge, der mit 0,1 Millisekunden bei echter Full-HD-Auflösung und 10.000 Bilder/s aufgenommen wird. Das ermöglicht das Erfassen von Bewegungsdifferenzen im Bereich von 0,001 mm.
Ultra-HS-Video erschließt vielseitige Präzision
Im Laufe der Versuche ergeben sich ständig weiterführende Fragen. Daraus folgend ständig neue Anforderungen in der Grundlagenforschung der SES-Gelenke, die es zu untersuchen gilt. Die Verwendung von Lasern ermöglicht nur punktuelle Messungen. Aufnahmen mit Ultra-Highspeed-Video ermöglichen immer die Verfolgung der gesamten Aktuator-Geometrie mit einer großen Bandbreite von präzisen Informationen, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Gleichzeitig mit der Beutelverformung und Gelenkbewegung können beispielsweise auch winzige Luftblasen in der Flüssigkeit verfolgt werden. Das liefert wichtige Hinweise auf das Strömungsverhalten der Flüssigkeit im Beutel, entsprechend der jeweils angelegten Spannung.
Von großem Vorteil ist hier eine hohe Bildauflösung bei gleichzeitig extrem hohen Bildraten. Entsprechend den hohen Anforderungen und vorausschauend auf die Anwendung weiterer vorteilhafter Funktionen entschied man sich am MPI-IS für die Anschaffung der Phantom v2640. High Speed Vision stand beratend mit seinem umfangreichen Know-how zur Verfügung.
Diese Kamera ist die weltweit schnellste 4-Megapixel-Kamera mit einer maximalen Auflösung von 2048 x 1952 Pixel, bei einer Framerate von 6.600 Bilder/s und 12-bit Bildauflösung. In reduzierter Auflösung bietet die Kamera 300.000 Bilder/s und eine minimale Belichtungszeit von 142 ns. Im Binned-Mode (2x2 Pixel) wird die Lichtempfindlichkeit von Mono 16.000 ISO bis auf 25.000 ISO gesteigert.
Die hohe Lichtempfindlichkeit ermöglicht Aufnahmen bei Tageslicht. Das erleichtert die Handhabung, und vereinfachen erheblich den ganzen Versuchsaufbau. Es ist keine aufwändige Zusatzbeleuchtung erforderlich, deren eventuelle Einflüsse (Wärmeeintrag) den Versuch beeinträchtigen könnte. Die hohe Lichtempfindlichkeit bietet auch noch den großen Vorteil, die Blende der Objektive weitgehend zu schließen, um den Tiefenschärfebereich zu verbessern.
Die Kamera verfügt über eine schnelle interne Abtastrate von 26Gpx/s sowie einen Ringspeicher der bis 288 GB aufgerüstet werden kann. Über die 10 GB Ethernet Schnittstelle steht eine hohe Download-Geschwindigkeit zur Datensicherung zur Verfügung. Alternativ steht der optionale Cine-Mag-V-Speicher mit bis zu 8 TB Volumen zur Auswahl, 288 GB Daten können hier in weniger als 5 Minuten heruntergeladen werden.
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Kleine Details, große Wirkung
Es geht darum, die gesamte Dynamik in allen Aspekten mit hoher messtechnischer Auflösung sehr präzise zu untersuchen. Die Kombination von unterschiedlicher elektronischer Messtechnik mit den einzelnen Bildern von HS-Video zeitlich exakt synchronisiert, qualifiziert die Aussagen von den jeweils erfassten Ereignissen.
Diese elektrohydraulischen „Muskeln“ sind von großem Vorteil gegenüber dem Verhalten und der notwendigen Gestaltung von Elektromotorlösungen mit gleichen Aufgaben/Ergebnissen. Das ergibt für die SES-Gelenke eine hohe Sicherheit gegen Überlastung.
Durch die Hintereinanderschaltung von mehreren Gelenken und mehreren Fingern kann man den Zugriff äußerst sensibel und vielseitig gestalten. Das erste Gelenk kraftvoll, das letzte Gelenk sehr sanft. Das bezieht sich nicht nur auf die jeweils ausgeübte Kraft, sondern auch auf die Beschleunigung der Gelenkteile. In einem zukünftigen Schritt mit einer weiteren Kamera will man sich auch den 3D-Raum per Ultra-HS-Video erschließen, mit hoher Zeit- und Bildauflösung für perfekte analytische Präzision.
Diese einfach zu steuernden Aktuatoren funktionieren auch unter Wasser. Die Flüssigkeit in den Beuteln ist kaum kompressibel und damit wird der gleiche sensible Zugriff erzielt wie an Land. Die Gelenke könnten aber auch zur Desinfektion problemlos in Alkohol getaucht werden.
Bionische elektrohydraulische Aktuatoren haben in der zukünftigen Soft-Robotik und anderen interagierenden Bereichen ein großes Potential in Gestaltung, Anwendung und Wirtschaftlichkeit. Die folgenden Attribute sind keine Übertreibungen, sondern eine kleine nüchterne Bestandsaufnahme der sich abzeichnenden Eigenschaften und Möglichkeiten von neuen Anwendungen.
Die weich arbeitenden Gelenke sind leicht, extrem flink, raumsparend und günstig herstellbar, vielseitig gestaltbar von filigran bis robust, Synergie mehrteiliger Gelenke, minimaler mechanischer Aufwand, geringer Energieverbrauch, normale Kunststofffolien, hygienisch pflegeleicht, wasserfest, effizient feinfühlig oder auch starke Kraftübertragung, leicht skalierbare Produktion, und sie sind besonders simpel digital steuerbar.
Weitere Artikel zur Zukunft der Medizintechnik finden Sie in unserem Themenkanal Forschung.
* Der Autor: Kamillo Weiß, Dipl.-Ing. (FH), Fachjournalist