AOK-Qualitätsmonitor verweist auf Defizite in der medizinischen Versorgung
AOK-Qualitätsmonitor verweist auf Defizite in der medizinischen Versorgung
Berlin – Defizite bei der Betreuung von Herzinfarktpatienten und bei der Behandlung von Brust- und Lungenkrebs benennt das neue Online-Portal „Qualitätsmonitor“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Danach wurden im Jahr 2020 rund sieben Prozent der Herzinfarktpatienten in Kliniken behandelt, die über kein Katheterlabor verfügten. Das Problem betraf mehr als 14.000 Herzinfarktbehandlungen.
„Der Qualitätsmonitor zeigt, dass es ein Problem bei der Steuerung und Information der Patientinnen und Patienten gibt, denn eigentlich haben wir in Deutschland keinen Mangel an Herzkatheterlaboren“, sagte der WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber.
So gab es 2020 allein in Berlin insgesamt 24 Kliniken mit durchgängig verfügbarem Herzkatheterlabor. Dennoch nahmen dort 18 weitere Kliniken ohne Katheterlabor an der Herzinfarktversorgung teil. Das entspricht 39 Prozent aller Kliniken, die in Berlin an der Versorgung beteiligt waren.
Offenbar geht es bei der Verfügbarkeit von Katheterplätzen auch um die Fallzahl: Bei den 362 Kliniken in ganz Deutschland, die 2020 weniger als 25 Herzinfarktfälle behandelten, verfügte laut dem Qualitätsmonitor nur jede fünfte Klinik über ein Herzkatheterlabor.
Neben der Herzinfarkt-Versorgung beleuchtet der Qualitätsmonitor auch die Versorgung von Brustkrebs- und Lungenkrebsfällen. „Bei der Brustkrebs-Versorgung ist in den letzten Jahren erfreulicherweise eine gewisse Konzentration erkennbar“, berichtete Klauber.
Die vielfach kritisierte „Gelegenheitschirurgie“ werde weniger, habe aber immer noch ein relevantes Ausmaß: So wurden im Jahr 2020 in insgesamt 117 an der Brustkrebs-Versorgung beteiligten Krankenhäusern (20,3 Prozent) in Deutschland weniger als 25 Brustkrebs-Fälle operiert. Im Jahr 2016 betraf dies noch 157 Krankenhäuser (24,4 Prozent).
Der Qualitätsmonitor macht außerdem deutlich, dass 2020 insgesamt 43,8 Prozent der an der Versorgung von Brustkrebs-Fällen beteiligten deutschen Kliniken nicht über ein Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) oder eine vergleichbare Zertifizierung verfügten. Diese Krankenhäuser versorgten knapp 15 Prozent der Brustkrebs-Fälle.
Klauber wies daraufhin, dass das Innovationsfondsprojekt „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ kürzlich belegt habe, dass Patientinnen mit Brustkrebs einen Überlebensvorteil von rund 20 Prozent haben, wenn sie in DKG-zertifizierten Zentren behandelt werden.
„Hier sollten die Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene zügig Konsequenzen ziehen und die Behandlung der Brustkrebs-Patientinnen auf Häuser konzentrieren, die als Brustkrebs-Zentrum zertifiziert sind“, so der WidO-Chef.
„Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass nach wie vor Tausende von Herzinfarkt-Fälle in Deutschland in Kliniken landen, die gar keine adäquate Ausstattung für die Versorgung dieser Fälle haben“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, zu den WIdO-Zahlen. Auch die Gelegenheitschirurgie beim Brustkrebs müsse aufhören. „Die Qualitätsprobleme der deutschen Krankenhauslandschaft müssen dringend angepackt werden“, so ihr Fazit.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) reagierte „mit Verwunderung“ auf die Vorwürfe. „Während die AOK skandalisiert, dass sieben Prozent der Notfallpatienten mit Herzinfarkt in einem Krankenhaus ohne Kathetherlabor landen, freut sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft gemeinsam mit den Verantwortlichen des Rettungsdienstes darüber, dass es gelingt 93 Prozent dieser Notfallpatienten in einem Krankenhaus mit Herzkatheterlabor aufzunehmen und zu behandeln“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß.
Die Kritik sei „unsachlich und polemisch“, so Gaß. Nicht jeden Herzinfarkt könne der Rettungsdienst bereits in der Akutsituation als solchen erkennen – im Regelfall steuerten die Rettungsdienste das nächstgelegene Krankenhaus an. Die WIdO-Zahlen würden zeigen, dass das Rettungssystem im Zusammenspiel mit den Krankenhäusern sehr gut funktioniert, denn 93 Prozent aller Herzinfarktpatienten erreichten trotz der noch nicht abgeschlossenen Notfalldiagnostik den idealen Behandlungsort.
Für Unverständnis bei der DKG sorgt auch die Kritik der AOK an „vermeintlich schlechter“ Brustkrebsversorgung in Krankenhäusern mit zu geringer Fallzahl. Man habe im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits Mindestmengen vereinbart, die die angeprangerte Gelegenheitschirurgie ab 2024 unmöglich machen. © hil/aerzteblatt.de
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